Sexarbeiterinnen in der Republik Moldau: “Mariana haben sie erhängt, Natascha ertränkt”
Auf die Hilfe der Polizei können Sexarbeiterinnen in der Republik Moldau nicht zählen, weil ihr Gewerbe dort illegal ist. Häufig werden sie Opfer von Gewalttaten, erzählen sie DW-Reporterin Violeta Colesnic.
“Hinter der höflichen Fassade eines elegant gekleideten Kunden kann ein Monster stecken”, sagt eine moldauische Sexarbeiterin. Sie weiß, wovon sie spricht, denn ihr Arbeitsplatz ist eine Straße im Norden der Republik Moldau. Hier haben wir sie und ihre zwei Kolleginnen getroffen. Sie haben uns erzählt, wie gefährlich ihr Beruf ist: “Mariana haben sie erhängt, Natascha ertränkt. Wie Iulia umgekommen ist, weiß ich gar nicht mehr so genau”, berichten sie. “Tanea haben sie zu Tode geprügelt, ihre Leiche wurde am Rand der Landstraße gefunden. Der Leichnam einer anderen Sexarbeiterin wurde in einen Kanal geworfen. Als er gefunden wurde, konnte die Identität der Frau nur anhand der Kleidung festgestellt werden.”
In der Republik Moldau, einem der ärmsten Länder Europas, mit einer Bevölkerung von weniger als drei Millionen Einwohnern, gibt es rund 15.800 Sexarbeiterinnen, davon fast ein Drittel in der Hauptstadt Chisinau. Zu männlichen Sexarbeitern liegen keine Zahlen vor. Wie stark diese Frauen diskriminiert werden, zeigt eine aktuelle Umfrage in der ehemaligen Sowjetrepublik: 88 Prozent der Befragten sagten, sie würden sich gar nicht erst in der Nähe einer Person aufhalten wollen, die im Bereich der Sexarbeit tätig ist. Prostitution ist in der Republik Moldau illegal, alles passiert im Verborgenen, und die Frauen können auf keinerlei Schutz von Seiten der Behörden hoffen. Wenn bekannt wird, womit sie ihr Geld verdienen, müssen sie Strafen von umgerechnet 88 bis 118 Euro zahlen.
“Hinter der höflichen Fassade eines elegant gekleideten Kunden kann ein Monster stecken”, sagt eine moldauische Sexarbeiterin. Sie weiß, wovon sie spricht, denn ihr Arbeitsplatz ist eine Straße im Norden der Republik Moldau. Hier haben wir sie und ihre zwei Kolleginnen getroffen. Sie haben uns erzählt, wie gefährlich ihr Beruf ist: “Mariana haben sie erhängt, Natascha ertränkt. Wie Iulia umgekommen ist, weiß ich gar nicht mehr so genau”, berichten sie. “Tanea haben sie zu Tode geprügelt, ihre Leiche wurde am Rand der Landstraße gefunden. Der Leichnam einer anderen Sexarbeiterin wurde in einen Kanal geworfen. Als er gefunden wurde, konnte die Identität der Frau nur anhand der Kleidung festgestellt werden.”
Die Sexarbeiterinnen, mit denen wir gesprochen haben, erzählen von Angst und Demütigungen: Oftmals seien sie nachts von Polizisten mit Taschenlampen gejagt worden und mussten sich im Gebüsch verstecken. Von den Kunden werden sie oft gedemütigt, geschlagen und missbraucht. Die meisten dieser Frauen sagen, sie hätten sich aus Verzweiflung und Armut für die Sexarbeit entschieden – als einzige Möglichkeit, die Familie zu ernähren und zu überleben.
Ukrainische Sexarbeiterinnen haben ihren eigenen Standort
Die “Calea Basarabiei” in der Hauptstadt Chisinau durchquert ein Industriegebiet. Die fünf Kilometer lange Straße ist dafür bekannt, dass auf beiden Seiten Sexarbeiterinnen auf potenzielle Kunden warten. Die verschiedenen Gruppen haben sich das Areal aufgeteilt. Junge Neulinge werden anfangs sogar verjagt, erzählt eine Sexarbeiterin, die seit über 20 Jahren in diesem Beruf ist: “Wir sind alt, schon 36 oder gar 46, und die Männer, die für Sex hierher kommen, würden immer die Jüngeren vorziehen, also verjagen wir die jungen Frauen.” Sie erzählt, dass seit Beginn des Krieges im Nachbarland auch mehrere Gruppen von ukrainischen Frauen auf dem Straßenstrich in Chisinau aufgetaucht seien, aber deren Arbeit würde von Zuhältern organisiert. “Und sie arbeiten nur nachts, immer an einem festen Ort.”
Auch andere moldauische Sexarbeiterinnen sagen, dass diese Branche in der Republik Moldau heutzutage normalerweise nicht mehr über Zuhälter organisiert wird, sondern dass die Frauen selbstständig arbeiten und die Preise direkt mit dem Kunden verhandeln. Während Luxus-Escorts auch mehrere Hundert Euro pro Nacht verdienen, bekommen die Frauen, die an der Straße auf Kunden warten, umgerechnet zwischen zehn und 25 Euro pro Kunde. Je kleiner der Ort ist, umso niedriger sind die Preise: In einer Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern liegen diese sogar bei nur etwa fünf Euro.
In kleinen Städten sei es besonders schwierig – nicht nur wegen der sehr niedrigen Preise, sagt eine Sexarbeiterin von Anfang 40: “Alle haben eine negative Meinung von Frauen wie mir und behandeln uns schlecht. Ich wurde auch schon festgenommen und musste eine Geldstrafe zahlen, die Polizei weiß Bescheid über meine Aktivitäten.” Für ihre Kinder sei es besonders schwierig: “In der Schule oder im Innenhof zwischen den Plattenbauten, beim Spielen, werden sie gehänselt, weil ihre Mutter Prostituierte ist.”
Sie habe diese Arbeit gewählt, weil sie keine andere Möglichkeit hatte, Geld zu verdienen: “Viele denken, Prostitution ist einer der einfachsten Wege, um an Geld zu kommen. Wer so etwas sagt, hat keine Ahnung davon, wie schwer es für eine Frau ist, die ihren Körper verkauft hat, ihr körperliches und seelisches Gleichgewicht wiederzufinden.” Was sie brauche, sei eine Chance, ihr Geld auf eine andere Weise verdienen zu können. “Alle behandeln uns respektlos, sie sehen uns als etwas Schmutziges und Ekelhaftes. Es kommt vor, dass wir noch schlechter behandelt werden als Kriminelle, die andere Menschen töten.”
Neben den Frauen, die an der Straße auf Kunden warten, gibt es auch die sogenannten “Appartement-Mädchen”, die ihre Dienstleistungen in der eigenen Wohnung oder in der des Kunden anbieten. Oftmals sind sie Studentinnen oder auch verheiratete Frauen, deren Umfeld nicht weiß, dass sie in dieser Branche arbeiten.
Zu dieser Gruppe gehört Diana, die einen arbeitslosen Ehemann und zwei kleine Kinder hat. Sie hat zwar einen festen Job und macht regelmäßig bezahlte Überstunden, aber das Gehalt von umgerechnet 172 Euro pro Monat reicht nicht für eine vierköpfige Familie. Deshalb ist sie in die Sexarbeit eingestiegen: “Ich würde alles tun, damit meine Kinder nicht hungrig bleiben. Ich führe zwei parallele Leben, niemand weiß von meinem zweiten Beruf. Im Leben meiner Kinder bin ich trotzdem sehr präsent, ich bin eine gute Mutter.”
Die fünf sogenannten “Appartement-Mädchen”, mit denen wir gesprochen haben, sind alle verheiratet und haben Kinder. Sie wollen nicht, dass ihr Umfeld von ihrem “Parallel-Leben” als Sexarbeiterin erfährt und haben große Angst vor dem Tag, an dem das doch passieren könnte. Doch keine von ihnen möchte auf das stabile Einkommen aus der Sexarbeit verzichten.
Laut einer Studie der Nichtregierungsorganisation Act for Involvement waren etwa die Hälfte der Sexarbeiterinnen in der moldauischen Hauptstadt Chisinau in der Kindheit oder frühen Jugend Opfer von sexueller Gewalt. Olga, die seit 26 Jahren Sexarbeiterin ist, erzählt, dass sie mit 12 vom Ehemann ihrer Lehrerin vergewaltigt wurde. Doch sie hat geschwiegen, weil der Täter ihr gedroht hatte, sie umzubringen, wenn sie davon spricht. “Ich habe nichts gesagt, weil ich zu große Angst hatte. Und so bin ich dazu gekommen, mit Männern für Geld zu schlafen.”
2,7 Prozent dieser Frauen sind mit HIV infiziert, laut einem UN-Bericht über die Entwicklung der Republik Moldau. Eine ehemalige Luxus-Escort erzählt uns, dass zu ihren Kunden hohe moldauische Würdenträger gehörten, erfolgreiche Geschäftsmänner, Bürgermeister, Politiker. Sie wisse nicht, bei wem von ihnen sie sich mit HIV infiziert habe. Wegen ihrer Infektion verlor sie ihre Kunden und ihre einzige Einkommensquelle. Aus Armut und Verzweiflung begann sie, sexuelle Dienste gegen Nahrungsmittel einzutauschen. Später wurde sie Alkoholikerin und landete einmal sogar im Krankenhaus, im Alkoholkoma. Am meisten bereut sie, dass sie ihr Medizinstudium abgebrochen hat, als das Angebot kam, in der Sexarbeit tätig zu sein.
Die meisten der Frauen, die in der Republik Moldau in diesem Bereich arbeiten, haben keinen Schulabschluss, kommen aus ärmlichen Verhältnissen und haben es sehr schwer, andere Jobs zu finden.
Einige der Frauen erzählen, dass sie die Geldstrafen für Prostitution zahlen, andere können sie umgehen: zum Beispiel Larisa, die seit 26 Jahren Sexarbeiterin ist. Sie stammt aus dem Separatistengebiet Transnistrien, das sich 1992 mit russischer Unterstützung von der Republik Moldau abgespalten hat. Weil sie keinen moldauischen Personalausweis hat, muss sie keine Geldstrafen zahlen. Von dem Geld, das sie als Sexarbeiterin in der moldauischen Hauptstadt Chisinau verdient, konnte sie ihrem Sohn zum 17. Geburtstag eine Eigentumswohnung kaufen. Zurzeit lässt sie ihr Haus in Transnistrien renovieren, zwischen den Treffen mit Kunden telefoniert sie ständig mit den Bauarbeitern, die gerade ihre neue Heizung montieren. Sie ist 47 und möchte in drei Jahren “in den Ruhestand” gehen.
Während Larisa als Transnistrierin die Geldstrafen für Prostitution nicht zahlen muss, sind diese für Iraida ein Problem: Sie habe schon mehr als 200 Mal Bußgelder zahlen müssen. Als sie mit uns sprach, während sie am Straßenstrich auf Kunden wartete, war sie im achten Monat schwanger. Zuhause warten zwei weitere Kinder auf sie, und ihr Mann ist im Gefängnis wegen Drogenhandels: “Er wird zwischen sieben und 15 Jahre hinter Gittern sein, also muss ich allein für die Kinder sorgen.”
Viele der Sexarbeiterinnen aus verschiedenen Städten in der Republik Moldau, die mit uns gesprochen haben, sind schockiert darüber, dass es immer mehr Minderjährige auf dem Straßenstrich gibt. Und das, obwohl Sex mit Minderjährigen in der Republik Moldau mit Gefängnisstrafen sanktioniert wird. “Die jüngsten Mädchen sind erst zwölf”, erzählt eine Sexarbeiterin aus einer Kleinstadt im Zentrum des Landes. “Die Polizei weiß das, wahrscheinlich wissen das auch die Sozialarbeiter, aber niemand tut etwas, um sie zu retten.” Und dann fügt sie nachdenklich hinzu: “Ich denke mir, dass die Männer doch auch ein paar grundlegende moralische Prinzipien haben müssten …”
Dieser Text ist das Ergebnis einer Langzeit-Recherche eines Journalistenteams in der Republik Moldau, zu dem die DW-Korrespondentin Violeta Colesnic aus Chisinau gehört. Die Journalisten sprachen mit mehr als 40 Sexarbeiterinnen aus verschiedenen Städten in der ehemaligen Sowjetrepublik über deren Leben.
Adaption aus dem Rumänischen: Dana Alexandra Scherle
“Hinter der höflichen Fassade eines elegant gekleideten Kunden kann ein Monster stecken”, sagt eine moldauische Sexarbeiterin. Sie weiß, wovon sie spricht, denn ihr Arbeitsplatz ist eine Straße im Norden der Republik Moldau. Hier haben wir sie und ihre zwei Kolleginnen getroffen. Sie haben uns erzählt, wie gefährlich ihr Beruf ist: “Mariana haben sie erhängt, Natascha ertränkt. Wie Iulia umgekommen ist, weiß ich gar nicht mehr so genau”, berichten sie. “Tanea haben sie zu Tode geprügelt, ihre Leiche wurde am Rand der Landstraße gefunden. Der Leichnam einer anderen Sexarbeiterin wurde in einen Kanal geworfen. Als er gefunden wurde, konnte die Identität der Frau nur anhand der Kleidung festgestellt werden.”
In der Republik Moldau, einem der ärmsten Länder Europas, mit einer Bevölkerung von weniger als drei Millionen Einwohnern, gibt es rund 15.800 Sexarbeiterinnen, davon fast ein Drittel in der Hauptstadt Chisinau. Zu männlichen Sexarbeitern liegen keine Zahlen vor. Wie stark diese Frauen diskriminiert werden, zeigt eine aktuelle Umfrage in der ehemaligen Sowjetrepublik: 88 Prozent der Befragten sagten, sie würden sich gar nicht erst in der Nähe einer Person aufhalten wollen, die im Bereich der Sexarbeit tätig ist. Prostitution ist in der Republik Moldau illegal, alles passiert im Verborgenen, und die Frauen können auf keinerlei Schutz von Seiten der Behörden hoffen. Wenn bekannt wird, womit sie ihr Geld verdienen, müssen sie Strafen von umgerechnet 88 bis 118 Euro zahlen.
Ukrainische Sexarbeiterinnen haben ihren eigenen Standort
Die Sexarbeiterinnen, mit denen wir gesprochen haben, erzählen von Angst und Demütigungen: Oftmals seien sie nachts von Polizisten mit Taschenlampen gejagt worden und mussten sich im Gebüsch verstecken. Von den Kunden werden sie oft gedemütigt, geschlagen und missbraucht. Die meisten dieser Frauen sagen, sie hätten sich aus Verzweiflung und Armut für die Sexarbeit entschieden – als einzige Möglichkeit, die Familie zu ernähren und zu überleben.
Die “Calea Basarabiei” in der Hauptstadt Chisinau durchquert ein Industriegebiet. Die fünf Kilometer lange Straße ist dafür bekannt, dass auf beiden Seiten Sexarbeiterinnen auf potenzielle Kunden warten. Die verschiedenen Gruppen haben sich das Areal aufgeteilt. Junge Neulinge werden anfangs sogar verjagt, erzählt eine Sexarbeiterin, die seit über 20 Jahren in diesem Beruf ist: “Wir sind alt, schon 36 oder gar 46, und die Männer, die für Sex hierher kommen, würden immer die Jüngeren vorziehen, also verjagen wir die jungen Frauen.” Sie erzählt, dass seit Beginn des Krieges im Nachbarland auch mehrere Gruppen von ukrainischen Frauen auf dem Straßenstrich in Chisinau aufgetaucht seien, aber deren Arbeit würde von Zuhältern organisiert. “Und sie arbeiten nur nachts, immer an einem festen Ort.”
Auch andere moldauische Sexarbeiterinnen sagen, dass diese Branche in der Republik Moldau heutzutage normalerweise nicht mehr über Zuhälter organisiert wird, sondern dass die Frauen selbstständig arbeiten und die Preise direkt mit dem Kunden verhandeln. Während Luxus-Escorts auch mehrere Hundert Euro pro Nacht verdienen, bekommen die Frauen, die an der Straße auf Kunden warten, umgerechnet zwischen zehn und 25 Euro pro Kunde. Je kleiner der Ort ist, umso niedriger sind die Preise: In einer Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern liegen diese sogar bei nur etwa fünf Euro.
In kleinen Städten sei es besonders schwierig – nicht nur wegen der sehr niedrigen Preise, sagt eine Sexarbeiterin von Anfang 40: “Alle haben eine negative Meinung von Frauen wie mir und behandeln uns schlecht. Ich wurde auch schon festgenommen und musste eine Geldstrafe zahlen, die Polizei weiß Bescheid über meine Aktivitäten.” Für ihre Kinder sei es besonders schwierig: “In der Schule oder im Innenhof zwischen den Plattenbauten, beim Spielen, werden sie gehänselt, weil ihre Mutter Prostituierte ist.”
Parallele Leben
Sie habe diese Arbeit gewählt, weil sie keine andere Möglichkeit hatte, Geld zu verdienen: “Viele denken, Prostitution ist einer der einfachsten Wege, um an Geld zu kommen. Wer so etwas sagt, hat keine Ahnung davon, wie schwer es für eine Frau ist, die ihren Körper verkauft hat, ihr körperliches und seelisches Gleichgewicht wiederzufinden.” Was sie brauche, sei eine Chance, ihr Geld auf eine andere Weise verdienen zu können. “Alle behandeln uns respektlos, sie sehen uns als etwas Schmutziges und Ekelhaftes. Es kommt vor, dass wir noch schlechter behandelt werden als Kriminelle, die andere Menschen töten.”
Olga wurde mit 12 vergewaltigt – vom Ehemann ihrer Lehrerin
Neben den Frauen, die an der Straße auf Kunden warten, gibt es auch die sogenannten “Appartement-Mädchen”, die ihre Dienstleistungen in der eigenen Wohnung oder in der des Kunden anbieten. Oftmals sind sie Studentinnen oder auch verheiratete Frauen, deren Umfeld nicht weiß, dass sie in dieser Branche arbeiten.
Zu dieser Gruppe gehört Diana, die einen arbeitslosen Ehemann und zwei kleine Kinder hat. Sie hat zwar einen festen Job und macht regelmäßig bezahlte Überstunden, aber das Gehalt von umgerechnet 172 Euro pro Monat reicht nicht für eine vierköpfige Familie. Deshalb ist sie in die Sexarbeit eingestiegen: “Ich würde alles tun, damit meine Kinder nicht hungrig bleiben. Ich führe zwei parallele Leben, niemand weiß von meinem zweiten Beruf. Im Leben meiner Kinder bin ich trotzdem sehr präsent, ich bin eine gute Mutter.”
Die fünf sogenannten “Appartement-Mädchen”, mit denen wir gesprochen haben, sind alle verheiratet und haben Kinder. Sie wollen nicht, dass ihr Umfeld von ihrem “Parallel-Leben” als Sexarbeiterin erfährt und haben große Angst vor dem Tag, an dem das doch passieren könnte. Doch keine von ihnen möchte auf das stabile Einkommen aus der Sexarbeit verzichten.
Krank, arm, verzweifelt
Laut einer Studie der Nichtregierungsorganisation Act for Involvement waren etwa die Hälfte der Sexarbeiterinnen in der moldauischen Hauptstadt Chisinau in der Kindheit oder frühen Jugend Opfer von sexueller Gewalt. Olga, die seit 26 Jahren Sexarbeiterin ist, erzählt, dass sie mit 12 vom Ehemann ihrer Lehrerin vergewaltigt wurde. Doch sie hat geschwiegen, weil der Täter ihr gedroht hatte, sie umzubringen, wenn sie davon spricht. “Ich habe nichts gesagt, weil ich zu große Angst hatte. Und so bin ich dazu gekommen, mit Männern für Geld zu schlafen.”
2,7 Prozent dieser Frauen sind mit HIV infiziert, laut einem UN-Bericht über die Entwicklung der Republik Moldau. Eine ehemalige Luxus-Escort erzählt uns, dass zu ihren Kunden hohe moldauische Würdenträger gehörten, erfolgreiche Geschäftsmänner, Bürgermeister, Politiker. Sie wisse nicht, bei wem von ihnen sie sich mit HIV infiziert habe. Wegen ihrer Infektion verlor sie ihre Kunden und ihre einzige Einkommensquelle. Aus Armut und Verzweiflung begann sie, sexuelle Dienste gegen Nahrungsmittel einzutauschen. Später wurde sie Alkoholikerin und landete einmal sogar im Krankenhaus, im Alkoholkoma. Am meisten bereut sie, dass sie ihr Medizinstudium abgebrochen hat, als das Angebot kam, in der Sexarbeit tätig zu sein.
Die meisten der Frauen, die in der Republik Moldau in diesem Bereich arbeiten, haben keinen Schulabschluss, kommen aus ärmlichen Verhältnissen und haben es sehr schwer, andere Jobs zu finden.
Einige der Frauen erzählen, dass sie die Geldstrafen für Prostitution zahlen, andere können sie umgehen: zum Beispiel Larisa, die seit 26 Jahren Sexarbeiterin ist. Sie stammt aus dem Separatistengebiet Transnistrien, das sich 1992 mit russischer Unterstützung von der Republik Moldau abgespalten hat. Weil sie keinen moldauischen Personalausweis hat, muss sie keine Geldstrafen zahlen. Von dem Geld, das sie als Sexarbeiterin in der moldauischen Hauptstadt Chisinau verdient, konnte sie ihrem Sohn zum 17. Geburtstag eine Eigentumswohnung kaufen. Zurzeit lässt sie ihr Haus in Transnistrien renovieren, zwischen den Treffen mit Kunden telefoniert sie ständig mit den Bauarbeitern, die gerade ihre neue Heizung montieren. Sie ist 47 und möchte in drei Jahren “in den Ruhestand” gehen.
Während Larisa als Transnistrierin die Geldstrafen für Prostitution nicht zahlen muss, sind diese für Iraida ein Problem: Sie habe schon mehr als 200 Mal Bußgelder zahlen müssen. Als sie mit uns sprach, während sie am Straßenstrich auf Kunden wartete, war sie im achten Monat schwanger. Zuhause warten zwei weitere Kinder auf sie, und ihr Mann ist im Gefängnis wegen Drogenhandels: “Er wird zwischen sieben und 15 Jahre hinter Gittern sein, also muss ich allein für die Kinder sorgen.”
Viele der Sexarbeiterinnen aus verschiedenen Städten in der Republik Moldau, die mit uns gesprochen haben, sind schockiert darüber, dass es immer mehr Minderjährige auf dem Straßenstrich gibt. Und das, obwohl Sex mit Minderjährigen in der Republik Moldau mit Gefängnisstrafen sanktioniert wird. “Die jüngsten Mädchen sind erst zwölf”, erzählt eine Sexarbeiterin aus einer Kleinstadt im Zentrum des Landes. “Die Polizei weiß das, wahrscheinlich wissen das auch die Sozialarbeiter, aber niemand tut etwas, um sie zu retten.” Und dann fügt sie nachdenklich hinzu: “Ich denke mir, dass die Männer doch auch ein paar grundlegende moralische Prinzipien haben müssten …”
Dieser Text ist das Ergebnis einer Langzeit-Recherche eines Journalistenteams in der Republik Moldau, zu dem die DW-Korrespondentin Violeta Colesnic aus Chisinau gehört. Die Journalisten sprachen mit mehr als 40 Sexarbeiterinnen aus verschiedenen Städten in der ehemaligen Sowjetrepublik über deren Leben.
Adaption aus dem Rumänischen: Dana Alexandra Scherle