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Tschechien und die Slowakei suchen Ausweg aus der Energiepreis-Krise

Erst vor Kurzem waren viele Tschechen und Slowaken von Kohle auf Erdgas umgestiegen. Nun sorgt der Krieg in der Ukraine für erneutes Umdenken. Wärmepumpen könnten die Lösung sein.

Seit Jahrzehnten setzt man in Tschechien und der Slowakei auf Erdgas. Es galt bislang als Garant für eine erschwingliche, wartungsarme und relativ umweltfreundliche Beheizung von Häusern und Wohnungen. In Tschechien unterstützte ein Subventionsprogramm, das von der Europäischen Union finanziert wurde, den Übergang von der bis dahin vorherrschenden Nutzung von Kohle zu Erdgas. Dem dient auch das “New Green Savings Programme”, mit dem zum Beispiel alte Heizkessel ersetzt werden.

Die russische Aggression gegen die Ukraine, die Ungewissheit über die Fortsetzung der Gaslieferungen aus Russland und der enorme Preisanstieg für Erdgas zwingen die tschechischen und slowakischen Haushalte und auch die Industrie jedoch dazu, sich nach einer neuen Alternative umzusehen. 

Seit Jahrzehnten setzt man in Tschechien und der Slowakei auf Erdgas. Es galt bislang als Garant für eine erschwingliche, wartungsarme und relativ umweltfreundliche Beheizung von Häusern und Wohnungen. In Tschechien unterstützte ein Subventionsprogramm, das von der Europäischen Union finanziert wurde, den Übergang von der bis dahin vorherrschenden Nutzung von Kohle zu Erdgas. Dem dient auch das “New Green Savings Programme”, mit dem zum Beispiel alte Heizkessel ersetzt werden.

Tschechen und Slowaken eint – neben 74 Jahren im gemeinsamen Staat Tschechoslowakei – ihre extreme Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland. Beide beziehen nahezu 100 Prozent ihres Gases von dort. Doch die Europäische Union will die Abhängigkeit reduzieren und damit stellt sich die brennende Frage: Womit sollen die Haushalte im nächsten Winter heizen und wie soll sich die Betriebe mit Energie versorgen?

Leere Gasspeicher – kalte Wohnungen?

Ein Hinweis darauf, dass die Versorgungssituation sich bereits jetzt verschlechtert, sind die neuen Gas-Vorauszahlungen für das Jahr 2023, die die tschechischen Haushalte bereits jetzt erhalten haben und die ein Mehrfaches dessen betragen, was sie in den Vorjahren zahlen mussten. Für ein kleineres Einfamilienhaus sind das heute zwischen 200 und 300 Euro im Monat, was vor allem für ärmere Tschechen und Slowaken jenseits des sozialverträglichen Niveaus liegt. Und es könnte noch schlimmer kommen.

“Sollte die russische Gasversorgung jetzt, vor dem Sommer, gestoppt werden, wird es sehr schwierig, die Gasspeicher in Europa zu füllen, denn es ist unmöglich, 40 Prozent Gaslieferungen aus Russland auf einmal zu ersetzen”, so Vaclav Bartuska, tschechischer Sonderbotschafter für Energiesicherheit, gegenüber der DW. “Das Problem liegt genau genommen in Deutschland, der Tschechischen Republik und anderen Ländern ähnlich: Haushalte und kritische Infrastrukturen würden überall zu den letzten Bereichen gehören, in denen die Gasversorgung eingeschränkt würde”, fügt er hinzu.

Eine mögliche Lösung sind Wärmepumpen. Derzeit werden sie von den tschechischen Haushalten in noch nie da gewesenem Ausmaß nachgefragt. Der Betrieb einer Wärmepumpe ist heute zwischen 20 und 30 Prozent billiger als Gas. Für Wärmepumpen spricht auch die Tatsache, dass Alternativen wie Kohle oder Holz in den letzten Monaten um 20 bzw. 66 Prozent teurer geworden sind.

Zudem übernimmt der tschechische Staat die Kosten bis zur Hälfte, bei sozial benachteiligten Haushalten sogar bis zu 95 Prozent, wobei der maximale Zuschuss rund 4000 Euro beträgt. Tschechische Unternehmen, die Wärmepumpen verkaufen und installieren, berichten von einem sprunghaften Anstieg des Interesses im Vergleich zu 2021. Viele sind bereits auf Monate ausgelastet.

“Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine gab es einen dramatischen Anstieg des Interesses an Wärmepumpen, die Nachfrage hat sich im Vergleich zum Frühjahr 2021 fast verzehnfacht”, so Marek Blaha, Geschäftsführer von IVT Tepelna cerpadla, einem Unternehmen, das jährlich Tausende von Pumpen installiert, gegenüber dem Nachrichtenportal idnes.cz. Strom, den Wärmepumpen brauchen, gibt es in der Tschechischen Republik laut Energiesicherheits-Sonderbotschafter Bartuska ausreichend: “Tschechien hat sogar einen Stromüberschuss, wir exportieren zur Zeit etwa 10-12 Terrawattstunden pro Jahr.”

In der Slowakei ist das Problem der Umstellung der Haushalte auf Wärmepumpen komplexer. “Der Staat hat erst kürzlich ein Förderprogramm für Haushalte zur Unterstützung von Wärmepumpen angekündigt. Das Interesse ist groß – aber es stehen nur 15 Millionen Euro im Förderprogramm zur Verfügung. Und ohne staatliche Unterstützung sind die Anschaffungskosten für die meisten Haushalte nicht tragbar”, so Ronald Izip, Chefredakteur der Wirtschaftszeitung Trend, gegenüber der DW. “Deshalb setzen die meisten Haushalte nach wie vor auf Erdgas als Hauptheizungsart.”

Eine weitere Möglichkeit, Heizkosten zu sparen, ist eine bessere Isolierung von Gebäuden. Aber sowohl die Tschechische Republik als auch die Slowakei leiden unter einem Mangel an Dämmstoff-Herstellern und entsprechend hohen Dämmstoffkosten. Selbst wenn staatliche Fördermittel in Anspruch genommen werden können, bleiben für die Bürger hohe Kosten von mehreren zehntausend Euro.

Nach Ansicht des tschechischen Wirtschaftswissenschaftlers Lukas Kovanda, Mitglied des Nationalen Wirtschaftsrates der Regierung in Prag, ist die Anschaffung einer Wärmepumpe heute rentabler als eine Gebäudeisolierung. “Mit dem Kauf einer Pumpe entfallen auch die möglichen Unannehmlichkeiten, die mit der Isolierung verbunden sind, etwa Schimmelbildung – wenn die falsche Art von Styropor-Isoliermaterial verwendet wird”, so Kovanda gegenüber der DW. Das tschechische Umweltministerium hat jedoch ein spezielles Programm für sozial benachteiligte Haushalte aufgelegt, damit diese ihre Häuser zumindest teilweise isolieren können.

“Das Programm zielt auf kleine Maßnahmen ab, wie die Dämmung des Daches, des Dachbodens oder ausgewählter Außenwände oder den Austausch eines Teils der Fenster und Türen. Die Menschen sollen das Geld einfach beantragen können, ohne komplizierte Formulare”, so die zuständige Ministerin Anna Hubackova. Für das Programm wurden bisher rund 40 Millionen Euro bereitgestellt. Auch die slowakische Regierung setzt auf Gebäudedämmung. “Die Isolierung wird mit 500 Millionen Euro aus dem EU-Konjunkturprogramm gefördert. Das Programm wird im September anlaufen, und es wird erwartet, dass das Interesse der slowakischen Bürger an der Förderung sehr groß sein wird”, sagt Ronald Izip.

All diese Maßnahmen können die Auswirkungen der Energiekrise und die Notwendigkeit einer grundlegenden Energiewende weg von der Abhängigkeit von russischem Gas jedoch nur mildern. In diesem Zusammenhang setzen sowohl Tschechien als auch die Slowakei neben der Suche nach anderen Energiequellen auch auf die Kernenergieeinschließlich des Baus neuer Blöcke in bestehenden Atomkraftwerke – sowie auf erneuerbare Energiequellen.

“Der tschechische Staat sollte den Kern des Problems angehen, also seine Kraft und die verfügbaren finanziellen Mittel voll für den Bau neuer Kernkraftwerke einsetzen”, meint der Wirtschaftswissenschaftler Kovanda. Doch nach den derzeitigen Plänen sollte das EU-Land erst im Jahr 2036 neue Kernkraftwerksblöcke mit einer Leistung von 2400 Megawatt in Betrieb nehmen. Und in der Slowakei hat sich die Inbetriebnahme der beiden neuen 940-Megawatt-Blöcke des AKW Mochovce, die sich seit 2008 im Bau befinden, aber immer noch nicht betriebsbereit sind, verzögert. Sie sollen 2022 oder 2023 ans Netz gehen.

Vaclav Bartuska | Botschafter für Energiesicherheit
Deutschland Luftwärmepumpe vor einem Wohnhaus
Ronald Izip | Chefredakteur Trend

Seit Jahrzehnten setzt man in Tschechien und der Slowakei auf Erdgas. Es galt bislang als Garant für eine erschwingliche, wartungsarme und relativ umweltfreundliche Beheizung von Häusern und Wohnungen. In Tschechien unterstützte ein Subventionsprogramm, das von der Europäischen Union finanziert wurde, den Übergang von der bis dahin vorherrschenden Nutzung von Kohle zu Erdgas. Dem dient auch das “New Green Savings Programme”, mit dem zum Beispiel alte Heizkessel ersetzt werden.

Die russische Aggression gegen die Ukraine, die Ungewissheit über die Fortsetzung der Gaslieferungen aus Russland und der enorme Preisanstieg für Erdgas zwingen die tschechischen und slowakischen Haushalte und auch die Industrie jedoch dazu, sich nach einer neuen Alternative umzusehen. 

Leere Gasspeicher – kalte Wohnungen?

Tschechen und Slowaken eint – neben 74 Jahren im gemeinsamen Staat Tschechoslowakei – ihre extreme Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland. Beide beziehen nahezu 100 Prozent ihres Gases von dort. Doch die Europäische Union will die Abhängigkeit reduzieren und damit stellt sich die brennende Frage: Womit sollen die Haushalte im nächsten Winter heizen und wie soll sich die Betriebe mit Energie versorgen?

Ein Hinweis darauf, dass die Versorgungssituation sich bereits jetzt verschlechtert, sind die neuen Gas-Vorauszahlungen für das Jahr 2023, die die tschechischen Haushalte bereits jetzt erhalten haben und die ein Mehrfaches dessen betragen, was sie in den Vorjahren zahlen mussten. Für ein kleineres Einfamilienhaus sind das heute zwischen 200 und 300 Euro im Monat, was vor allem für ärmere Tschechen und Slowaken jenseits des sozialverträglichen Niveaus liegt. Und es könnte noch schlimmer kommen.

“Sollte die russische Gasversorgung jetzt, vor dem Sommer, gestoppt werden, wird es sehr schwierig, die Gasspeicher in Europa zu füllen, denn es ist unmöglich, 40 Prozent Gaslieferungen aus Russland auf einmal zu ersetzen”, so Vaclav Bartuska, tschechischer Sonderbotschafter für Energiesicherheit, gegenüber der DW. “Das Problem liegt genau genommen in Deutschland, der Tschechischen Republik und anderen Ländern ähnlich: Haushalte und kritische Infrastrukturen würden überall zu den letzten Bereichen gehören, in denen die Gasversorgung eingeschränkt würde”, fügt er hinzu.

Eine mögliche Lösung sind Wärmepumpen. Derzeit werden sie von den tschechischen Haushalten in noch nie da gewesenem Ausmaß nachgefragt. Der Betrieb einer Wärmepumpe ist heute zwischen 20 und 30 Prozent billiger als Gas. Für Wärmepumpen spricht auch die Tatsache, dass Alternativen wie Kohle oder Holz in den letzten Monaten um 20 bzw. 66 Prozent teurer geworden sind.

Wärmepumpen als Ausweg

Zudem übernimmt der tschechische Staat die Kosten bis zur Hälfte, bei sozial benachteiligten Haushalten sogar bis zu 95 Prozent, wobei der maximale Zuschuss rund 4000 Euro beträgt. Tschechische Unternehmen, die Wärmepumpen verkaufen und installieren, berichten von einem sprunghaften Anstieg des Interesses im Vergleich zu 2021. Viele sind bereits auf Monate ausgelastet.

Wärmedämmung als weitere Option

“Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine gab es einen dramatischen Anstieg des Interesses an Wärmepumpen, die Nachfrage hat sich im Vergleich zum Frühjahr 2021 fast verzehnfacht”, so Marek Blaha, Geschäftsführer von IVT Tepelna cerpadla, einem Unternehmen, das jährlich Tausende von Pumpen installiert, gegenüber dem Nachrichtenportal idnes.cz. Strom, den Wärmepumpen brauchen, gibt es in der Tschechischen Republik laut Energiesicherheits-Sonderbotschafter Bartuska ausreichend: “Tschechien hat sogar einen Stromüberschuss, wir exportieren zur Zeit etwa 10-12 Terrawattstunden pro Jahr.”

In der Slowakei ist das Problem der Umstellung der Haushalte auf Wärmepumpen komplexer. “Der Staat hat erst kürzlich ein Förderprogramm für Haushalte zur Unterstützung von Wärmepumpen angekündigt. Das Interesse ist groß – aber es stehen nur 15 Millionen Euro im Förderprogramm zur Verfügung. Und ohne staatliche Unterstützung sind die Anschaffungskosten für die meisten Haushalte nicht tragbar”, so Ronald Izip, Chefredakteur der Wirtschaftszeitung Trend, gegenüber der DW. “Deshalb setzen die meisten Haushalte nach wie vor auf Erdgas als Hauptheizungsart.”

Eine weitere Möglichkeit, Heizkosten zu sparen, ist eine bessere Isolierung von Gebäuden. Aber sowohl die Tschechische Republik als auch die Slowakei leiden unter einem Mangel an Dämmstoff-Herstellern und entsprechend hohen Dämmstoffkosten. Selbst wenn staatliche Fördermittel in Anspruch genommen werden können, bleiben für die Bürger hohe Kosten von mehreren zehntausend Euro.

Atomkraft – ja bitte

Nach Ansicht des tschechischen Wirtschaftswissenschaftlers Lukas Kovanda, Mitglied des Nationalen Wirtschaftsrates der Regierung in Prag, ist die Anschaffung einer Wärmepumpe heute rentabler als eine Gebäudeisolierung. “Mit dem Kauf einer Pumpe entfallen auch die möglichen Unannehmlichkeiten, die mit der Isolierung verbunden sind, etwa Schimmelbildung – wenn die falsche Art von Styropor-Isoliermaterial verwendet wird”, so Kovanda gegenüber der DW. Das tschechische Umweltministerium hat jedoch ein spezielles Programm für sozial benachteiligte Haushalte aufgelegt, damit diese ihre Häuser zumindest teilweise isolieren können.

“Das Programm zielt auf kleine Maßnahmen ab, wie die Dämmung des Daches, des Dachbodens oder ausgewählter Außenwände oder den Austausch eines Teils der Fenster und Türen. Die Menschen sollen das Geld einfach beantragen können, ohne komplizierte Formulare”, so die zuständige Ministerin Anna Hubackova. Für das Programm wurden bisher rund 40 Millionen Euro bereitgestellt. Auch die slowakische Regierung setzt auf Gebäudedämmung. “Die Isolierung wird mit 500 Millionen Euro aus dem EU-Konjunkturprogramm gefördert. Das Programm wird im September anlaufen, und es wird erwartet, dass das Interesse der slowakischen Bürger an der Förderung sehr groß sein wird”, sagt Ronald Izip.

All diese Maßnahmen können die Auswirkungen der Energiekrise und die Notwendigkeit einer grundlegenden Energiewende weg von der Abhängigkeit von russischem Gas jedoch nur mildern. In diesem Zusammenhang setzen sowohl Tschechien als auch die Slowakei neben der Suche nach anderen Energiequellen auch auf die Kernenergieeinschließlich des Baus neuer Blöcke in bestehenden Atomkraftwerke – sowie auf erneuerbare Energiequellen.

“Der tschechische Staat sollte den Kern des Problems angehen, also seine Kraft und die verfügbaren finanziellen Mittel voll für den Bau neuer Kernkraftwerke einsetzen”, meint der Wirtschaftswissenschaftler Kovanda. Doch nach den derzeitigen Plänen sollte das EU-Land erst im Jahr 2036 neue Kernkraftwerksblöcke mit einer Leistung von 2400 Megawatt in Betrieb nehmen. Und in der Slowakei hat sich die Inbetriebnahme der beiden neuen 940-Megawatt-Blöcke des AKW Mochovce, die sich seit 2008 im Bau befinden, aber immer noch nicht betriebsbereit sind, verzögert. Sie sollen 2022 oder 2023 ans Netz gehen.

Lukas Kovanda | Wirtschaftsanalyst

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