Vor 40 Jahren ging “99 Luftballons” von Nena um die Welt
Ihre Plattenfirma wollte den Song zunächst nicht veröffentlichen, doch Nena setzte sich durch. Rund um den Erdball wurde “99 Luftballons” zum Hit – und das auf Deutsch!
Im Januar 1983 bestimmt seichte Popmusik-Kost die internationalen Charts. Phil Collins ist mit “You Can’t Hurry Love” auf Platz 1 im Vereinigten Königreich. In den USA stehen Hall & Oates mit “Maneater” und Men at Work mit “Down Under” an der Spitze der Billboard Charts. In Deutschland feiert man Culture Club mit “Do You Really Want To Hurt Me”.
Doch damals gibt es in der deutschen Musikszene eine Alternative zum anglophonen Superstar-Pop. Es ist eine neuartige Musik mit deutschen Texten jenseits von Schlagermusik, tanzbar, mit Synthesizerklängen, elektronischem Schlagzeug – und auch ein bisschen irre. Die Texte sind wie Comics, bunt, witzig und phantasievoll. Manchmal sind sie auch nur Nonsens. Spliff, Fräulein Menke, Peter Schilling, Trio, Hubert Kah – sie alle gehören zu dieser Neuen Deutschen Welle und stehen in den deutschen Charts neben internationalen Stars wie Supertramp, Eddie Grant, Dionne Warwick, Phil Collins.
Im Januar 1983 bestimmt seichte Popmusik-Kost die internationalen Charts. Phil Collins ist mit “You Can’t Hurry Love” auf Platz 1 im Vereinigten Königreich. In den USA stehen Hall & Oates mit “Maneater” und Men at Work mit “Down Under” an der Spitze der Billboard Charts. In Deutschland feiert man Culture Club mit “Do You Really Want To Hurt Me”.
Und da hüpft auch eine junge Frau über die Bühnen, mit frechem Gesicht, Wuschelhaaren, großen Ohrringen und Mädchenstimme. Sie heißt Gabriele Kerner – genannt Nena – und ist die Sängerin der Band Nena. Auch die mischt kräftig in den Charts mit. Und genau in diesem Januar 1983 zeigt die Band, dass Neue Deutsche Welle mehr ist als punkig-elektronischer Spaß. Nena hat eine Botschaft, die um die Welt gehen wird.
Eine Botschaft, die um die Welt gehen wird
Auf dem Debüt-Album “Nena”, das am 14. Januar 1983 erscheint, befindet sich neben Nenas erstem Hit “Nur geträumt” auch das zunächst naiv anmutende “99 Luftballons”. Schnell wird klar: Hier spricht Nena in ihrer Sprache und der Sprache der Jugend die Kriegstreiber an, die zu jener Zeit die Welt in Atem halten: die Sowjetunion und die USA. Bis an die Zähne mit Atomraketen bewaffnet, stehen sich die beiden Weltmächte gegenüber und bedrohen sich nicht nur gegenseitig, sondern sind in der Lage, die Welt mit der Sprengkraft ihrer Waffen zigfach zu vernichten.
In dieser so hoch explosiven Situation besteht die größte Angst der Menschen darin, dass jemand aus Versehen den roten Knopf drücken und damit die atomare Vernichtung auslösen könnte.
Genau das beschreibt Nena in dem Song “99 Luftballons”. Da stellt sich jemand vor, die Kriegsmaschinerie würde anlaufen, weil irgendein Radar harmlose Luftballons als Bedrohung identifiziert hat. Die Situation eskaliert, alle Länder werden mit reingezogen, jeder will Krieg und Macht – und am Ende ist nichts mehr übrig. Das Lied endet mit den Zeilen:
“99 Jahre Krieg
Ließen keinen Platz für Sieger
Kriegsminister gibt’s nicht mehr
Und auch keine Düsenflieger
Heute zieh’ ich meine Runden
Seh’ die Welt in Trümmern liegen
Hab’ ‘n Luftballon gefunden
Denk’ an dich und lass’ ihn fliegen.”
Die beiden Songschreiber der Band, Uwe Fahrenkrog-Petersen und Carlo Karges († 2002) haben sich ursprünglich gar nicht zusammengesetzt, um einen solchen Song zu schreiben. Das Ganze ist eher ein Zufallsprodukt. Fahrenkrog-Petersen probiert seinen neuen Synthesizer aus, ist inspiriert von dem Elektro-Funk, der gerade aus den USA kommt, und versucht, diesen knallharten funky Groove in den damals angesagten New-Wave-Sound zu integrieren. Irgendwann kommt ihm die Idee des Rhythmuswechsels – und der macht die Komposition letztendlich so spannend. Karges hat den Text schon länger in der Tasche gehabt – und der passt zufällig genau auf diese Melodie.
Auch Sängerin Nena ist begeistert und steuert mit “punkiger Mädchen-Attitüde”, so Fahrenkrog-Petersen in seinem Blog, ihren Gesang bei, der “perfekt zu der tiefsinnigen Geschichte und der energiestrotzenden Musik passte”.
Die Band ist überzeugt von dem Song und will ihn als erste Single des neuen Albums rausbringen. Doch die Plattenfirma hält nichts davon. Der Song habe ja gar keinen Refrain, heißt es. Und mit dem langen Instrumentalteil am Anfang werde das kein Radiosender spielen.
Schließlich setzt sich die Band durch und veröffentlicht den Song Ende Januar. Das Lied startet durch. Am 28. März 1983 erreicht es Platz 1 der deutschen Charts – und geht anschließend um die Welt: Platz 1 in Japan, Australien, Kanada, Mexiko. Auch in den USA wird das deutsche Lied bekannt. Durch einen Zufall wird ein Radio-DJ in den USA darauf aufmerksam. Er spielt es so oft, dass es sich überall verbreitet und schließlich im Dezember 1983 Platz 2 der Billboard-Charts erreicht. Höher ist bis heute noch kein deutschsprachiger Titel in den USA gekommen. 1984 reicht Nena den Song auf Englisch nach – diese Version erreicht in den britischen Charts die Spitzenposition.
Eine internationale Karriere bleibt dennoch aus. Während Nena mit der Band und später solo erfolgreich ist, bleibt sie im Ausland mit “99 Luftballons” ein One-Hit-Wonder. Doch die Botschaft bleibt – und das Szenario ist angesichts des Krieges in der Ukraine wieder näher gerückt, als man es sich lange Zeit vorstellen konnte.
Im Januar 1983 bestimmt seichte Popmusik-Kost die internationalen Charts. Phil Collins ist mit “You Can’t Hurry Love” auf Platz 1 im Vereinigten Königreich. In den USA stehen Hall & Oates mit “Maneater” und Men at Work mit “Down Under” an der Spitze der Billboard Charts. In Deutschland feiert man Culture Club mit “Do You Really Want To Hurt Me”.
Doch damals gibt es in der deutschen Musikszene eine Alternative zum anglophonen Superstar-Pop. Es ist eine neuartige Musik mit deutschen Texten jenseits von Schlagermusik, tanzbar, mit Synthesizerklängen, elektronischem Schlagzeug – und auch ein bisschen irre. Die Texte sind wie Comics, bunt, witzig und phantasievoll. Manchmal sind sie auch nur Nonsens. Spliff, Fräulein Menke, Peter Schilling, Trio, Hubert Kah – sie alle gehören zu dieser Neuen Deutschen Welle und stehen in den deutschen Charts neben internationalen Stars wie Supertramp, Eddie Grant, Dionne Warwick, Phil Collins.
Eine Botschaft, die um die Welt gehen wird
Und da hüpft auch eine junge Frau über die Bühnen, mit frechem Gesicht, Wuschelhaaren, großen Ohrringen und Mädchenstimme. Sie heißt Gabriele Kerner – genannt Nena – und ist die Sängerin der Band Nena. Auch die mischt kräftig in den Charts mit. Und genau in diesem Januar 1983 zeigt die Band, dass Neue Deutsche Welle mehr ist als punkig-elektronischer Spaß. Nena hat eine Botschaft, die um die Welt gehen wird.
Auf dem Debüt-Album “Nena”, das am 14. Januar 1983 erscheint, befindet sich neben Nenas erstem Hit “Nur geträumt” auch das zunächst naiv anmutende “99 Luftballons”. Schnell wird klar: Hier spricht Nena in ihrer Sprache und der Sprache der Jugend die Kriegstreiber an, die zu jener Zeit die Welt in Atem halten: die Sowjetunion und die USA. Bis an die Zähne mit Atomraketen bewaffnet, stehen sich die beiden Weltmächte gegenüber und bedrohen sich nicht nur gegenseitig, sondern sind in der Lage, die Welt mit der Sprengkraft ihrer Waffen zigfach zu vernichten.
In dieser so hoch explosiven Situation besteht die größte Angst der Menschen darin, dass jemand aus Versehen den roten Knopf drücken und damit die atomare Vernichtung auslösen könnte.
Genau das beschreibt Nena in dem Song “99 Luftballons”. Da stellt sich jemand vor, die Kriegsmaschinerie würde anlaufen, weil irgendein Radar harmlose Luftballons als Bedrohung identifiziert hat. Die Situation eskaliert, alle Länder werden mit reingezogen, jeder will Krieg und Macht – und am Ende ist nichts mehr übrig. Das Lied endet mit den Zeilen:
Alles nur wegen 99 Luftballons
“99 Jahre Krieg
Ließen keinen Platz für Sieger
Kriegsminister gibt’s nicht mehr
Und auch keine Düsenflieger
Heute zieh’ ich meine Runden
Seh’ die Welt in Trümmern liegen
Hab’ ‘n Luftballon gefunden
Denk’ an dich und lass’ ihn fliegen.”
Plattenfirma sieht kein Hitpotenzial
Die beiden Songschreiber der Band, Uwe Fahrenkrog-Petersen und Carlo Karges († 2002) haben sich ursprünglich gar nicht zusammengesetzt, um einen solchen Song zu schreiben. Das Ganze ist eher ein Zufallsprodukt. Fahrenkrog-Petersen probiert seinen neuen Synthesizer aus, ist inspiriert von dem Elektro-Funk, der gerade aus den USA kommt, und versucht, diesen knallharten funky Groove in den damals angesagten New-Wave-Sound zu integrieren. Irgendwann kommt ihm die Idee des Rhythmuswechsels – und der macht die Komposition letztendlich so spannend. Karges hat den Text schon länger in der Tasche gehabt – und der passt zufällig genau auf diese Melodie.
Auch Sängerin Nena ist begeistert und steuert mit “punkiger Mädchen-Attitüde”, so Fahrenkrog-Petersen in seinem Blog, ihren Gesang bei, der “perfekt zu der tiefsinnigen Geschichte und der energiestrotzenden Musik passte”.
Die Band ist überzeugt von dem Song und will ihn als erste Single des neuen Albums rausbringen. Doch die Plattenfirma hält nichts davon. Der Song habe ja gar keinen Refrain, heißt es. Und mit dem langen Instrumentalteil am Anfang werde das kein Radiosender spielen.
One-Hit-Wonder im Ausland
Schließlich setzt sich die Band durch und veröffentlicht den Song Ende Januar. Das Lied startet durch. Am 28. März 1983 erreicht es Platz 1 der deutschen Charts – und geht anschließend um die Welt: Platz 1 in Japan, Australien, Kanada, Mexiko. Auch in den USA wird das deutsche Lied bekannt. Durch einen Zufall wird ein Radio-DJ in den USA darauf aufmerksam. Er spielt es so oft, dass es sich überall verbreitet und schließlich im Dezember 1983 Platz 2 der Billboard-Charts erreicht. Höher ist bis heute noch kein deutschsprachiger Titel in den USA gekommen. 1984 reicht Nena den Song auf Englisch nach – diese Version erreicht in den britischen Charts die Spitzenposition.
Eine internationale Karriere bleibt dennoch aus. Während Nena mit der Band und später solo erfolgreich ist, bleibt sie im Ausland mit “99 Luftballons” ein One-Hit-Wonder. Doch die Botschaft bleibt – und das Szenario ist angesichts des Krieges in der Ukraine wieder näher gerückt, als man es sich lange Zeit vorstellen konnte.