Wirtschaft

Wie das Autoland Slowakei auf Elektro umsteigen will

Die Slowakei ist Weltspitze: Nirgendwo sonst werden im Verhältnis zur Einwohnerzahl so viele Autos gebaut. Doch mit dem Aus von Verbrennungsmotoren sind Jobs in Gefahr. Wie managt die Slowakei den Wandel?

Allmählich werden sie mehr, die türkisgrünen Nummernschilder, die für E-Autos vergeben werden: Besonders in der slowakischen Hauptstadt Bratislava sind E-Autos zwar noch kein allgegenwärtiger, aber doch ein vertrauter Anblick geworden. Die Regierung bezuschusst jeden vollelektrischen Neuwagen mit 8000 Euro, und auch die Ladeinfrastruktur wird mit Millioneninvestitionen ausgebaut. Doch noch steht die Slowakei am Anfang der Elektro-Wende und einmal mehr gilt das für die Automobilindustrie im Land.

In der Slowakei liefen 2021 rund eine Million Neuwagen vom Band – ein weltweiter Höchstwert, gemessen an der Bevölkerung von 5,4 Millionen. Die Autoindustrie trägt hier etwa 13 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei, also ungefähr drei Mal so viel wie im als “Autoland” bekannten Deutschland. Produziert wird maßgeblich für den europäischen Binnenmarkt; Autos machen 33 Prozent der slowakischen Exportgüter aus. Die Autoindustrie ist der Motor der slowakischen Wirtschaft – und dieser Motor wurde bislang angetrieben von klimaschädlichen fossilen Brennstoffen.

Allmählich werden sie mehr, die türkisgrünen Nummernschilder, die für E-Autos vergeben werden: Besonders in der slowakischen Hauptstadt Bratislava sind E-Autos zwar noch kein allgegenwärtiger, aber doch ein vertrauter Anblick geworden. Die Regierung bezuschusst jeden vollelektrischen Neuwagen mit 8000 Euro, und auch die Ladeinfrastruktur wird mit Millioneninvestitionen ausgebaut. Doch noch steht die Slowakei am Anfang der Elektro-Wende und einmal mehr gilt das für die Automobilindustrie im Land.

In der Europäischen Union dürfen ab 2035 nur noch Neuwagen mit emissionsfreiem Antrieb zugelassen werden. Bis dahin müssen die Hersteller, die in der EU weiter Autos verkaufen wollen, ihre Produktion umstellen; in aller Regel heißt das: auf Batterie-elektrische Fahrzeuge.

Das E-Auto kommt – doch nimmt es die Wirtschaft mit?

Das erste reine Elektroauto, das in der Slowakei in Serie ging, war 2013 der Kleinwagen e-up! von Volkswagen. Eine Sprecherin des Werks in Bratislava teilte der DW auf Anfrage mit, 2021 (Daten für 2022 liegen noch nicht vor) seien rund 41.500 Stück ausgeliefert worden – bei insgesamt knapp 309.000 Fahrzeugen aus dem Werk. “Zudem haben wir in den letzten Jahren unsere gesamte SUV-Modellpalette hybridisiert”, schrieb die Sprecherin – das heißt im Umkehrschluss jedoch auch, alle anderen Modelle haben noch Verbrennermotoren eingebaut.

Elektromotoren sind im Vergleich zu herkömmlichen Motoren wesentlich simpler zu bauen. Sie benötigen weniger Einzelteile, weniger Arbeitsschritte und letztlich weniger Fabrikpersonal. Auf die Slowakei kommt deshalb ein großes wirtschaftliches Wagnis zu: “Im schlechtesten Fall könnte das BIP um zehn Prozent geringer sein als im besten Fall”, heißt es in einer Studie des in Bratislava ansässigen Thinktanks Globsec von 2020, in der die Transformation der Automobilbranche in dem mitteleuropäischen Land bis 2040 analysiert wird. Der beste Fall würde bis zu 8000 neue Jobs bringen – zentral wäre jedoch, dass auch Schlüsselkomponenten wie Akkus für E-Autos im Land hergestellt werden.

“Jedes Land oder jede Fabrik wäre froh, die modernsten Autos aus der Flotte zu produzieren”, sagt Radovan Durana vom Institut für Wirtschafts- und Sozialstudien in Bratislava. “Doch wenn zum Beispiel Volkswagen entscheidet, dass Elektroautos in Deutschland hergestellt werden, dann haben wir in der Slowakei keine Wahl.” So werden die elektrischen VW-Modelle ID.3 und ID.4 im sächsischen Zwickau gebaut; und auch für den e-up! werden Batterien aus Braunschweig und Motoren aus Kassel zugeliefert.

Im innereuropäischen Standort-Wettbewerb hält Durana wenig davon, die Investoren mit allzu großen Vergünstigungen zu locken: “Sie kommen so oder so, wenn sie der Ansicht sind, dass es wirtschaftlich Sinn macht, ihre Tätigkeiten in dieser Region zu konzentrieren.” Durana warnt im DW-Gespräch davor, den Blick rein auf die Slowakei zu verengen – es geht um die gesamte Region inklusive Tschechien, Ungarn und Teilen von Polen. Hier sitzen auch viele Zulieferer und hier sind qualifizierte Arbeitskräfte zu finden.

Große Hoffnungen machte im Sommer eine Ankündigung von Volvo: Der schwedische Autobauer will in Kosice in der östlichen Slowakei ein neues Werk speziell für Elektroautos errichten und nimmt dafür 1,2 Milliarden Euro in die Hand, 20 Prozent sollen aus öffentlichen Förderungen kommen. Ab 2026 sollen bis zu 250.000 Autos pro Jahr vom Band rollen. Das Volvo-Werk könnte auch dazu beitragen, das wirtschaftliche Gefälle zwischen dem Westen und dem weniger industrialisierten Osten des Landes abzuflachen.

Ein weiterer Hoffnungsträger wird sich erst noch am Markt beweisen müssen: Das slowakische Start-up InoBat will Batterien für Spezialanforderungen – Busse, Sportwagen, Luftfahrt – liefern. Wer die künftige Fabrik erreichen will, braucht die Koordinaten der Halle im Industriegebiet von Voderady, eine halbe Autostunde nordöstlich von Bratislava, denn noch ist sie auf keiner Karte verzeichnet. Im Inneren einer riesigen Fabrikhalle trennt ein Gang die Bereiche für die beiden Gegenpole der Batterien; links soll die Anode für jeden Akku gebaut werden gehen, rechts die Kathode. Arbeiter gießen einen speziellen weißen Bodenbelag auf den Estrich, der elektrostatische Aufladung verhindern soll. Später wird hier unter Reinraumbedingungen gearbeitet, doch erst einmal müssen die Produktionsmaschinen aus China geliefert werden.

Gründer und Geschäftsführer Marian Bocek sitzt bei Kaffee und Keksen in einem Besprechungsraum, um ihn sind leitende Mitarbeiter versammelt. “Batterien sind für mich, was das Internet in den 90er-Jahren war”, sagt Bocek. “Es ist komplett bahnbrechend, ohne sie funktioniert die Energie-Transition nicht. Batterien sind das Herz des industriellen Wandels.”

In Voderady will InoBat alle Schritte auf engstem Raum anbieten: Direkt neben der Produktionshalle ist ein Versuchslabor eingerichtet, in dem Ingenieure die optimale Zusammensetzung der Batterien für verschiedene Anwendungsfelder erforschen. Geplant ist außerdem eine Recycling-Anlage, die ab dem zweiten Quartal 2024 Prototypen und fehlerhafte Akkus in ihre kostbaren Bestandteile zerlegen soll. Dies sei der einzige Ort in Europa, an dem das alles in einem 200-Meter-Radius zu finden sei, sagt Bocek.

Die ersten Batterien sollen im zweiten Quartal 2023 hergestellt werden, doch Bocek denkt schon weit über die gut 500 Millionen Euro hinaus, die InoBat laut seiner Aussage in den Auftragsbüchern stehen hat: Gleich nebenan in Voderady soll eine Gigafactory entstehen, in Mittel-Osteuropa wird über weitere verhandelt, und in den USA soll unter dem gigantischen Wirtschafts-Subventionsprogramm der Biden-Regierung ebenfalls ein Werk aufgebaut werden.

Der gebürtige Slowake Bocek war als Investmentbanker lange in den USA – und auch wenn er längst über sein kleines Heimatland hinaus denkt, stellt er es als logische Entscheidung dar, hier den ersten Schritt zu machen: “Das ist wie das Shenzhen Europas, mit vielen Autobauern auf engem Raum.” Von Voderady aus seien es zehn Minuten bis zu Jaguar/Landrover und Stellantis, insgesamt neun Autobauer seien in einem 250-Meilen-Radius angesiedelt. Bocek spricht über die Region an der Donau auch gerne vom “Danube Tech Valley”.

Steuert die Slowakei also auf eine wirtschaftlich rosige Zukunft dank Elektromobilität zu? Der Analyst Radovan Durana erinnert daran, dass InoBat erst einmal beweisen müsse, “dass es solide wirtschaften und sich vergrößern kann. Wir werden sehen, ob sie damit Erfolg haben oder nicht.” Und davon ganz unabhängig wird die Slowakei überlegen müssen, ob sie wirtschaftlich auch künftig so stark auf die Autoindustrie setzen will.

E-Autos Slowakei
Coronavirus - Slowakei

Allmählich werden sie mehr, die türkisgrünen Nummernschilder, die für E-Autos vergeben werden: Besonders in der slowakischen Hauptstadt Bratislava sind E-Autos zwar noch kein allgegenwärtiger, aber doch ein vertrauter Anblick geworden. Die Regierung bezuschusst jeden vollelektrischen Neuwagen mit 8000 Euro, und auch die Ladeinfrastruktur wird mit Millioneninvestitionen ausgebaut. Doch noch steht die Slowakei am Anfang der Elektro-Wende und einmal mehr gilt das für die Automobilindustrie im Land.

In der Slowakei liefen 2021 rund eine Million Neuwagen vom Band – ein weltweiter Höchstwert, gemessen an der Bevölkerung von 5,4 Millionen. Die Autoindustrie trägt hier etwa 13 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei, also ungefähr drei Mal so viel wie im als “Autoland” bekannten Deutschland. Produziert wird maßgeblich für den europäischen Binnenmarkt; Autos machen 33 Prozent der slowakischen Exportgüter aus. Die Autoindustrie ist der Motor der slowakischen Wirtschaft – und dieser Motor wurde bislang angetrieben von klimaschädlichen fossilen Brennstoffen.

Das E-Auto kommt – doch nimmt es die Wirtschaft mit?

In der Europäischen Union dürfen ab 2035 nur noch Neuwagen mit emissionsfreiem Antrieb zugelassen werden. Bis dahin müssen die Hersteller, die in der EU weiter Autos verkaufen wollen, ihre Produktion umstellen; in aller Regel heißt das: auf Batterie-elektrische Fahrzeuge.

Das erste reine Elektroauto, das in der Slowakei in Serie ging, war 2013 der Kleinwagen e-up! von Volkswagen. Eine Sprecherin des Werks in Bratislava teilte der DW auf Anfrage mit, 2021 (Daten für 2022 liegen noch nicht vor) seien rund 41.500 Stück ausgeliefert worden – bei insgesamt knapp 309.000 Fahrzeugen aus dem Werk. “Zudem haben wir in den letzten Jahren unsere gesamte SUV-Modellpalette hybridisiert”, schrieb die Sprecherin – das heißt im Umkehrschluss jedoch auch, alle anderen Modelle haben noch Verbrennermotoren eingebaut.

Elektromotoren sind im Vergleich zu herkömmlichen Motoren wesentlich simpler zu bauen. Sie benötigen weniger Einzelteile, weniger Arbeitsschritte und letztlich weniger Fabrikpersonal. Auf die Slowakei kommt deshalb ein großes wirtschaftliches Wagnis zu: “Im schlechtesten Fall könnte das BIP um zehn Prozent geringer sein als im besten Fall”, heißt es in einer Studie des in Bratislava ansässigen Thinktanks Globsec von 2020, in der die Transformation der Automobilbranche in dem mitteleuropäischen Land bis 2040 analysiert wird. Der beste Fall würde bis zu 8000 neue Jobs bringen – zentral wäre jedoch, dass auch Schlüsselkomponenten wie Akkus für E-Autos im Land hergestellt werden.

“Jedes Land oder jede Fabrik wäre froh, die modernsten Autos aus der Flotte zu produzieren”, sagt Radovan Durana vom Institut für Wirtschafts- und Sozialstudien in Bratislava. “Doch wenn zum Beispiel Volkswagen entscheidet, dass Elektroautos in Deutschland hergestellt werden, dann haben wir in der Slowakei keine Wahl.” So werden die elektrischen VW-Modelle ID.3 und ID.4 im sächsischen Zwickau gebaut; und auch für den e-up! werden Batterien aus Braunschweig und Motoren aus Kassel zugeliefert.

Ein neues Werk in der Ostslowakei

Im innereuropäischen Standort-Wettbewerb hält Durana wenig davon, die Investoren mit allzu großen Vergünstigungen zu locken: “Sie kommen so oder so, wenn sie der Ansicht sind, dass es wirtschaftlich Sinn macht, ihre Tätigkeiten in dieser Region zu konzentrieren.” Durana warnt im DW-Gespräch davor, den Blick rein auf die Slowakei zu verengen – es geht um die gesamte Region inklusive Tschechien, Ungarn und Teilen von Polen. Hier sitzen auch viele Zulieferer und hier sind qualifizierte Arbeitskräfte zu finden.

Ein Hoffnungsträger mit einer großen Halle – und noch größeren Visionen

Große Hoffnungen machte im Sommer eine Ankündigung von Volvo: Der schwedische Autobauer will in Kosice in der östlichen Slowakei ein neues Werk speziell für Elektroautos errichten und nimmt dafür 1,2 Milliarden Euro in die Hand, 20 Prozent sollen aus öffentlichen Förderungen kommen. Ab 2026 sollen bis zu 250.000 Autos pro Jahr vom Band rollen. Das Volvo-Werk könnte auch dazu beitragen, das wirtschaftliche Gefälle zwischen dem Westen und dem weniger industrialisierten Osten des Landes abzuflachen.

Ein weiterer Hoffnungsträger wird sich erst noch am Markt beweisen müssen: Das slowakische Start-up InoBat will Batterien für Spezialanforderungen – Busse, Sportwagen, Luftfahrt – liefern. Wer die künftige Fabrik erreichen will, braucht die Koordinaten der Halle im Industriegebiet von Voderady, eine halbe Autostunde nordöstlich von Bratislava, denn noch ist sie auf keiner Karte verzeichnet. Im Inneren einer riesigen Fabrikhalle trennt ein Gang die Bereiche für die beiden Gegenpole der Batterien; links soll die Anode für jeden Akku gebaut werden gehen, rechts die Kathode. Arbeiter gießen einen speziellen weißen Bodenbelag auf den Estrich, der elektrostatische Aufladung verhindern soll. Später wird hier unter Reinraumbedingungen gearbeitet, doch erst einmal müssen die Produktionsmaschinen aus China geliefert werden.

Gründer und Geschäftsführer Marian Bocek sitzt bei Kaffee und Keksen in einem Besprechungsraum, um ihn sind leitende Mitarbeiter versammelt. “Batterien sind für mich, was das Internet in den 90er-Jahren war”, sagt Bocek. “Es ist komplett bahnbrechend, ohne sie funktioniert die Energie-Transition nicht. Batterien sind das Herz des industriellen Wandels.”

Die Zukunft des “Danube Tech Valley”

In Voderady will InoBat alle Schritte auf engstem Raum anbieten: Direkt neben der Produktionshalle ist ein Versuchslabor eingerichtet, in dem Ingenieure die optimale Zusammensetzung der Batterien für verschiedene Anwendungsfelder erforschen. Geplant ist außerdem eine Recycling-Anlage, die ab dem zweiten Quartal 2024 Prototypen und fehlerhafte Akkus in ihre kostbaren Bestandteile zerlegen soll. Dies sei der einzige Ort in Europa, an dem das alles in einem 200-Meter-Radius zu finden sei, sagt Bocek.

Die ersten Batterien sollen im zweiten Quartal 2023 hergestellt werden, doch Bocek denkt schon weit über die gut 500 Millionen Euro hinaus, die InoBat laut seiner Aussage in den Auftragsbüchern stehen hat: Gleich nebenan in Voderady soll eine Gigafactory entstehen, in Mittel-Osteuropa wird über weitere verhandelt, und in den USA soll unter dem gigantischen Wirtschafts-Subventionsprogramm der Biden-Regierung ebenfalls ein Werk aufgebaut werden.

Der gebürtige Slowake Bocek war als Investmentbanker lange in den USA – und auch wenn er längst über sein kleines Heimatland hinaus denkt, stellt er es als logische Entscheidung dar, hier den ersten Schritt zu machen: “Das ist wie das Shenzhen Europas, mit vielen Autobauern auf engem Raum.” Von Voderady aus seien es zehn Minuten bis zu Jaguar/Landrover und Stellantis, insgesamt neun Autobauer seien in einem 250-Meilen-Radius angesiedelt. Bocek spricht über die Region an der Donau auch gerne vom “Danube Tech Valley”.

Steuert die Slowakei also auf eine wirtschaftlich rosige Zukunft dank Elektromobilität zu? Der Analyst Radovan Durana erinnert daran, dass InoBat erst einmal beweisen müsse, “dass es solide wirtschaften und sich vergrößern kann. Wir werden sehen, ob sie damit Erfolg haben oder nicht.” Und davon ganz unabhängig wird die Slowakei überlegen müssen, ob sie wirtschaftlich auch künftig so stark auf die Autoindustrie setzen will.

Rot-weißes Absperrband verhindert den Zutritt zu einem Raum, deren Boden gerade mit einem Spezialbelag überzogen wurde

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