Ukraine aktuell: Russland könnte eine Million weitere Männer mobilisieren
Russland könnte in seinem Angriffskrieg nach Ansicht des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND eine weitere Million Soldaten rekrutieren. Selenskyj betont, die ukrainische Armee halte dem Druck stand. Ein Überblick.
Das Wichtigste in Kürze:
Selenskyj lobt Durchhaltevermögen der ukrainischen Armee
Russland könnte in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Ansicht des Bundesnachrichtendienstes (BND) noch bis zu einer Million weiterer Soldaten mobilisieren. “Im letzten Herbst wurden um die 300.000 Menschen mobilisiert und rekrutiert, die werden zum Teil noch ausgebildet, zum Teil sind sie schon ins Gefecht eingeführt”, sagte BND-Chef Bruno Kahl den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. “Das weitere Mobilisierungspotenzial Russlands ist ein Reservoir von bis zu einer Million Männern, wenn das als nötig erachtet wird im Kreml.”
Auch jetzt noch sei die Verteidigung des Landes durch die ukrainische Armee gegen zahlenmäßig stark überlegene Russen noch sehr wirksam, sagte der BND-Chef. “Aber das ist auf Dauer eine schwierige Auseinandersetzung, die auf Seiten der Ukrainer nur dann erfolgreich sein wird, wenn die Unterstützung des Westens wirklich sehr nachhaltig ist.”
Ein Jahr nach Beginn des Krieges sieht Kahl bei Kreml-Chef Wladimir Putin keinerlei Verhandlungsbereitschaft. “Im Moment geht es ihm darum, auf dem Schlachtfeld die Entscheidung zu suchen und so viele Vorteile wie möglich dort zu realisieren – um dann irgendwann vielleicht einen Frieden zu seinen Bedingungen zu diktieren.”
Die ukrainischen Streitkräfte halten laut Präsident Wolodymyr Selenskyj dem Druck russischer Vorstöße stand. “Die Frontlinie ist unverändert”, sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache. Nach seiner Darstellung erleiden die russischen Truppen “erschütternde Verluste” bei ihren Angriffen in den Regionen Donezk und Luhansk.
Kurz zuvor hatte der ukrainische Generalstab von einer relativ stabilen Lage an den verschiedenen Frontabschnitten des Landes berichtet. Die Angaben können von unabhängiger Seite nicht überprüft werden. Eine russische Stellungnahme liegt nicht vor.
Am zweiten Tag seines Polen-Besuches trifft US-Präsident Joe Biden Vertreter mehrerer osteuropäischer NATO-Staaten in Warschau. Zu der Gruppe im “Bukarest 9”-Format gehören Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Tschechien, die Slowakei sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen – also die Staaten entlang der NATO-Ostflanke. Zu den Beratungen wird auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet. Hintergrund von Bidens Besuch und den Beratungen ist der nahende erste Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine.
Bei einer Rede in Warschau hatte Biden mit Blick auf den Jahrestag des Kriegsbeginns die Einheit des Westens und der NATO beschworen. Zugleich warnte er Russland vor einem Angriff auf NATO-Gebiet. In Richtung des russischen Staatschefs Wladimir Putin, der wenige Stunden zuvor eine Rede zur Lage der Nation gehalten hatte, sagte Biden, Russland werde in der Ukraine niemals siegen. Er forderte den Kremlchef auf, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden.
Die Ankündigung von Präsident Wladimir Putin, die russische Teilnahme am atomaren Abrüstungsvertrag “New Start” mit den USA auszusetzen, hat im Westen Kritik ausgelöst. Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, kritisierte die Entscheidung. “Nach dem Völkerrechtsbruch, den er mit seinem Überfall auf die Ukraine begangen hat, verabschiedet sich Putin weiter konsequent aus der internationalen regelbasierten Ordnung”, sagt der außenpolitische Berater von Ex-Kanzlerin Angela Merkel den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Putin setze “das Recht des Stärkeren über die Stärke des Rechts”. Nun sei es wichtig, “dass die Internationale Staatengemeinschaft dagegenhält”.
US-Außenminister Antony Blinken hatte die Entscheidung Moskaus zuvor enttäuschend und unverantwortlich genannt. Die USA würden in jedem Fall dafür sorgen, dass die eigene Sicherheit und die der Verbündeten gewährleistet sei. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg appellierte an Putin, die Entscheidung zu überdenken. Ungeachtet der angekündigten Aussetzung des letzten großen Abrüstungsvertrages mit den USA will Russland eigenen Angaben zufolge weiter die dort festgeschriebene Obergrenze für Atomwaffen einhalten. Experten zufolge verfügt Russland mit fast 6000 Sprengköpfen über das größte Atomwaffenarsenal der Welt. Zusammen besitzen Russland und die USA rund 90 Prozent der weltweiten Atomsprengköpfe.
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, hat Kiews Bemühungen bei der Bekämpfung der Korruption im Land gelobt. Die ukrainischen Behörden seien “sehr offen bezüglich der Korruptionsprobleme und sehr entschlossen, sie zu bekämpfen”, sagte Georgieva nach einem Besuch in Kiew. Sie sei optimistisch, dass die Ukraine Fortschritte bei dem Thema machen werde, obwohl ein Krieg eine “Brutstätte für Korruption” sei, fügte Georgieva hinzu. Es gebe von ukrainischer Seite keine Versuche, das Problem “schönzureden”. Dennoch müssten die Anti-Korruptions-Strukturen in der Ukraine “weiter verbessert” werden.
In der Ukraine waren in den vergangenen Monaten eine Reihe von Korruptionsskandalen ans Licht gekommen. Die EU hat Anti-Korruptions-Reformen zu einer Vorbedingung für die weitere europäische Integration der Ukraine gemacht.
qu/gri (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Das Wichtigste in Kürze:
Selenskyj lobt Durchhaltevermögen der ukrainischen Armee
Russland könnte in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Ansicht des Bundesnachrichtendienstes (BND) noch bis zu einer Million weiterer Soldaten mobilisieren. “Im letzten Herbst wurden um die 300.000 Menschen mobilisiert und rekrutiert, die werden zum Teil noch ausgebildet, zum Teil sind sie schon ins Gefecht eingeführt”, sagte BND-Chef Bruno Kahl den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. “Das weitere Mobilisierungspotenzial Russlands ist ein Reservoir von bis zu einer Million Männern, wenn das als nötig erachtet wird im Kreml.”
Auch jetzt noch sei die Verteidigung des Landes durch die ukrainische Armee gegen zahlenmäßig stark überlegene Russen noch sehr wirksam, sagte der BND-Chef. “Aber das ist auf Dauer eine schwierige Auseinandersetzung, die auf Seiten der Ukrainer nur dann erfolgreich sein wird, wenn die Unterstützung des Westens wirklich sehr nachhaltig ist.”
Ein Jahr nach Beginn des Krieges sieht Kahl bei Kreml-Chef Wladimir Putin keinerlei Verhandlungsbereitschaft. “Im Moment geht es ihm darum, auf dem Schlachtfeld die Entscheidung zu suchen und so viele Vorteile wie möglich dort zu realisieren – um dann irgendwann vielleicht einen Frieden zu seinen Bedingungen zu diktieren.”
US-Präsident Biden setzt Besuch in Polen fort
Die ukrainischen Streitkräfte halten laut Präsident Wolodymyr Selenskyj dem Druck russischer Vorstöße stand. “Die Frontlinie ist unverändert”, sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache. Nach seiner Darstellung erleiden die russischen Truppen “erschütternde Verluste” bei ihren Angriffen in den Regionen Donezk und Luhansk.
Heusgen kritisiert Russlands Aussetzung von “New Start”-Abkommen
Kurz zuvor hatte der ukrainische Generalstab von einer relativ stabilen Lage an den verschiedenen Frontabschnitten des Landes berichtet. Die Angaben können von unabhängiger Seite nicht überprüft werden. Eine russische Stellungnahme liegt nicht vor.
Am zweiten Tag seines Polen-Besuches trifft US-Präsident Joe Biden Vertreter mehrerer osteuropäischer NATO-Staaten in Warschau. Zu der Gruppe im “Bukarest 9”-Format gehören Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Tschechien, die Slowakei sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen – also die Staaten entlang der NATO-Ostflanke. Zu den Beratungen wird auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet. Hintergrund von Bidens Besuch und den Beratungen ist der nahende erste Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine.
Bei einer Rede in Warschau hatte Biden mit Blick auf den Jahrestag des Kriegsbeginns die Einheit des Westens und der NATO beschworen. Zugleich warnte er Russland vor einem Angriff auf NATO-Gebiet. In Richtung des russischen Staatschefs Wladimir Putin, der wenige Stunden zuvor eine Rede zur Lage der Nation gehalten hatte, sagte Biden, Russland werde in der Ukraine niemals siegen. Er forderte den Kremlchef auf, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden.
IWF-Chefin begrüßt ukrainische Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung
Die Ankündigung von Präsident Wladimir Putin, die russische Teilnahme am atomaren Abrüstungsvertrag “New Start” mit den USA auszusetzen, hat im Westen Kritik ausgelöst. Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, kritisierte die Entscheidung. “Nach dem Völkerrechtsbruch, den er mit seinem Überfall auf die Ukraine begangen hat, verabschiedet sich Putin weiter konsequent aus der internationalen regelbasierten Ordnung”, sagt der außenpolitische Berater von Ex-Kanzlerin Angela Merkel den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Putin setze “das Recht des Stärkeren über die Stärke des Rechts”. Nun sei es wichtig, “dass die Internationale Staatengemeinschaft dagegenhält”.
US-Außenminister Antony Blinken hatte die Entscheidung Moskaus zuvor enttäuschend und unverantwortlich genannt. Die USA würden in jedem Fall dafür sorgen, dass die eigene Sicherheit und die der Verbündeten gewährleistet sei. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg appellierte an Putin, die Entscheidung zu überdenken. Ungeachtet der angekündigten Aussetzung des letzten großen Abrüstungsvertrages mit den USA will Russland eigenen Angaben zufolge weiter die dort festgeschriebene Obergrenze für Atomwaffen einhalten. Experten zufolge verfügt Russland mit fast 6000 Sprengköpfen über das größte Atomwaffenarsenal der Welt. Zusammen besitzen Russland und die USA rund 90 Prozent der weltweiten Atomsprengköpfe.
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, hat Kiews Bemühungen bei der Bekämpfung der Korruption im Land gelobt. Die ukrainischen Behörden seien “sehr offen bezüglich der Korruptionsprobleme und sehr entschlossen, sie zu bekämpfen”, sagte Georgieva nach einem Besuch in Kiew. Sie sei optimistisch, dass die Ukraine Fortschritte bei dem Thema machen werde, obwohl ein Krieg eine “Brutstätte für Korruption” sei, fügte Georgieva hinzu. Es gebe von ukrainischer Seite keine Versuche, das Problem “schönzureden”. Dennoch müssten die Anti-Korruptions-Strukturen in der Ukraine “weiter verbessert” werden.
In der Ukraine waren in den vergangenen Monaten eine Reihe von Korruptionsskandalen ans Licht gekommen. Die EU hat Anti-Korruptions-Reformen zu einer Vorbedingung für die weitere europäische Integration der Ukraine gemacht.
qu/gri (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.