Deutschland

Haushalt wird zum Stresstest für Regierung von Olaf Scholz

Die Koalition in Berlin hatte viele Pläne. Dann kamen Ukraine-Krieg, Inflation und Krise. Nun fehlt Geld. SPD, Grüne und FDP streiten. Wie geht es weiter?

Der 15. März war im Kalender von Bundesfinanzminister Christian Lindner rot angestrichen. An diesem Tag wollte der FDP-Chef dem Kanzler und seinen Ministerkollegen die Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2024 vorlegen. Doch kurzfristig sagte er den Termin wieder ab. SPD und Grüne wollen Lindners Sparauflagen nicht akzeptieren, denn das würde bedeuten, dass viele politische Vorhaben der Ampel-Regierung nicht umgesetzt werden könnten. 

Keine Einigung, keine Eckpunkte. Nachdem alle Appelle Lindners an die Kollegen, ihre Ausgabenwünsche noch einmal zu überdenken, ins Leere gelaufen waren, zog er kurzerhand die Notbremse. “Wir werden im Kabinett noch einmal gemeinsam über finanzielle Realitäten sprechen müssen”, betont der Finanzminister. Aus seiner Sicht ist für die meisten beim Regierungsantritt vereinbarten Ampel-Pläne schlicht kein Geld mehr da.

Der 15. März war im Kalender von Bundesfinanzminister Christian Lindner rot angestrichen. An diesem Tag wollte der FDP-Chef dem Kanzler und seinen Ministerkollegen die Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2024 vorlegen. Doch kurzfristig sagte er den Termin wieder ab. SPD und Grüne wollen Lindners Sparauflagen nicht akzeptieren, denn das würde bedeuten, dass viele politische Vorhaben der Ampel-Regierung nicht umgesetzt werden könnten. 

Lindner will unbedingt die im Grundgesetz vorgeschriebene Schuldenbremse wieder einhalten, die in den vergangenen Jahren wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt war. “Wir müssen lernen, mit dem zur Verfügung stehenden Finanzrahmen auszukommen”, mahnt er. Das bedeute, Prioritäten zu setzen, “weil nicht alles gleichzeitig finanzierbar” sei.

Blockieren heißt Druck aufbauen

Zwar sind Auseinandersetzungen über den Haushalt in einer Bundesregierung nicht ungewöhnlich: Fast in jedem Jahr wollen die Fachminister mehr Geld, als der Finanzminister ihnen zugestehen will. Doch diesmal liegen die Vorstellungen so weit auseinander, dass ein Kompromiss schwer vorstellbar ist. Deswegen baut Lindner Druck auf. Ganz bewusst nennt er keinen neuen Stichtag für die Haushalts-Eckpunkte, denn ohne finanzielle Sicherheit können die Ministerien nicht planen.

Auf rund 70 Milliarden Euro summieren sich die Wünsche der Ministerien. Die größten Brocken sind ein höherer Verteidigungshaushalt, Geld für eine Kindergrundsicherung und Mehrausgaben für Bildung. Lindner argumentiert, dass selbst ohne diese zusätzlichen Projekte das Geld knapp sei. Nach den Corona-Jahren brauchen die Krankenkassen Milliarden, um ihre Defizite auszugleichen, die Pflegeversicherung steht wegen der Alterung der Gesellschaft dermaßen unter Druck, dass sie reformiert werden muss.

Gleichzeitig reißen die Zinssteigerungen ein großes Loch in die Staatskasse. Deutschland sitzt auf einem Schuldenberg von rund 2,5 Billionen Euro. In diesem Jahr muss der Finanzminister rund 40 Milliarden Euro an Zinsen an die Gläubiger überweisen. Das ist zehnmal mehr als vor zwei Jahren.

Schon deswegen will der Finanzminister nicht noch mehr Kredite aufnehmen, als er seit seinem Amtsantritt ohnehin musste. 2022 sind zur vereinbarten Sonderverschuldung von 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz weitere 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr und 200 Milliarden Euro Finanzhilfen für die Bürger zum Ausgleich der hohen Energiekosten dazugekommen.

Für die Grünen sind Kredite zwar Schulden, aber auch Investitionen in die Zukunft. Deswegen haben sie sich schon vor Wochen gegen Lindner und seine Sparauflagen gestellt. Wirtschaftsminister Robert Habeck schrieb im Namen aller grünen Minister einen Brief an den Finanzminister, in dem er ihm mitteilte, dass seine Partei nicht bereit sei, ihre im Koalitionsvertrag vereinbarten politischen Vorhaben zu opfern. Die Schuldenbremse sei keineswegs wichtiger.

In dem Brief kehrte Habeck vom vertraulichen “Du” zum offiziellen “Sie” zurück. Von der einstigen Harmonie, die SPD, Grüne und die FDP bei ihrem Amtsantritt im Dezember 2021 verbreiteten, ist nicht mehr viel übrig. Daran änderte auch eine Kabinettsklausur Anfang März nichts. Zwar betonte Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Treffen in Meseberg, es habe in der Ministerriege “ein sehr fühlbares Unterhaken” gegeben und man habe in vielen Fragen des Alltagsgeschäfts “auch Fortschritte gemacht”. Doch die demonstrative Einigkeit war schnell wieder dahin.

Im Angesicht knapper Kassen brechen in der Koalition jene Konflikte auf, die dem ungleichen Trio schon zum Amtsantritt prophezeit wurden. SPD und Grüne sind zwei linke Parteien, denen soziale Gerechtigkeit und Ökologie wichtig sind und die für einen starken Staat plädieren. Würden sie alleine regieren, hätten sie die Steuern für Wohlhabende deutlich erhöht. Die FDP propagiert in vielem davon das Gegenteil. Möglichst wenig Regulierung, niedrige Steuern und geringe Sozialausgaben. 

Während die Liberalen mit Blick auf den Haushalt ein “Ausgabenproblem” sehen, sprechen SPD und Grüne von einem “Einnahmenproblem”. Da für die FDP Steuererhöhungen aber genauso wenig in Frage kommen wie ein Verzicht auf die Schuldenbremse, fordern SPD und Grüne nun, Steuerschlupflöcher zu schließen und Subventionen zu streichen, um die Einnahmen des Staats zu erhöhen.

Dabei berufen sie sich auf die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. “Klimaschädliche Subventionen belasten den Staatshaushalt und verzögern die Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft”, sagte die Münchener Professorin in einem Zeitungsinterview. Damit meint sie beispielsweise Steuernachlässe für Kerosin, Dieselkraftstoff und privat genutzte Dienstwagen und die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge.

Laut Berechnungen könnten allein in diesem Bereich rund 30 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in die Kasse kommen. Unter Wirtschaftswissenschaftlern wird außerdem darüber diskutiert, die in der Corona-Pandemie gewährten Steuervergünstigungen für Gastronomie und Hotellerie wieder zu streichen und die Rente mit 63 Jahren sowie die Mütterrente zu begrenzen – auch mit Blick auf den Fachkräftemangel. Das würde einen weiteren zweistelligen Milliardenbetrag einbringen.

Subventionen abbauen, die ihren Wählern zugutekommen, das will die FDP allerdings auch nicht. Genauso wenig kann sie von der Schuldenbremse abrücken oder Steuererhöhungen zulassen. FDP-Chef Lindner steht unter Druck, nachdem die Partei die letzten Landtagswahlen in Serie verloren hat und in den Wählerumfragen auf Bundesebene abgestürzt ist. Die Koalition platzen zu lassen, daran kann er kein Interesse haben.

Das eint die FDP mit der SPD. Neuwahlen könnten die Sozialdemokraten das Kanzleramt kosten. Scholz, der zudem für die Einhaltung der Schuldenbremse  plädiert, versucht, die Wogen zu glätten. Er habe als Finanzminister die Eckwerte auch einmal verschieben müssen, sagt er. “Das hat eigentlich nie große Aufregung ausgelöst, jetzt auch nicht, also jedenfalls bei mir nicht.”

Erfahrene Bundestagsabgeordnete setzen auf Zeit. Die Eckpunkte sind nur der erste Schritt, bis Juni muss die Regierung im Detail beschließen, was sie 2024 wofür ausgeben will. Dann hat der Bundestag das Wort, denn dort liegt die Budgethoheit. Final abgestimmt wird erst am 1. Dezember und der Erfahrung nach verlässt kein Haushalt das Parlament so, wie er von der Regierung hineingegeben wurde.

Portraitaufnahme von Bundesfinanzminister Christian Lindner. Er blickt ernst und hat Daumen und Zeigefinger der linken Hand an sein Kinn gelegt.
Auf dem Foto ist der geplante Neubau am Bundeskanzleramt in einer Computeranimation zu sehen. Das Gebäude steht auf der anderen Spreeseite und soll durch eine Brücke mit dem Kanzleramt verbunden sein

Der 15. März war im Kalender von Bundesfinanzminister Christian Lindner rot angestrichen. An diesem Tag wollte der FDP-Chef dem Kanzler und seinen Ministerkollegen die Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2024 vorlegen. Doch kurzfristig sagte er den Termin wieder ab. SPD und Grüne wollen Lindners Sparauflagen nicht akzeptieren, denn das würde bedeuten, dass viele politische Vorhaben der Ampel-Regierung nicht umgesetzt werden könnten. 

Keine Einigung, keine Eckpunkte. Nachdem alle Appelle Lindners an die Kollegen, ihre Ausgabenwünsche noch einmal zu überdenken, ins Leere gelaufen waren, zog er kurzerhand die Notbremse. “Wir werden im Kabinett noch einmal gemeinsam über finanzielle Realitäten sprechen müssen”, betont der Finanzminister. Aus seiner Sicht ist für die meisten beim Regierungsantritt vereinbarten Ampel-Pläne schlicht kein Geld mehr da.

Blockieren heißt Druck aufbauen

Lindner will unbedingt die im Grundgesetz vorgeschriebene Schuldenbremse wieder einhalten, die in den vergangenen Jahren wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt war. “Wir müssen lernen, mit dem zur Verfügung stehenden Finanzrahmen auszukommen”, mahnt er. Das bedeute, Prioritäten zu setzen, “weil nicht alles gleichzeitig finanzierbar” sei.

Zwar sind Auseinandersetzungen über den Haushalt in einer Bundesregierung nicht ungewöhnlich: Fast in jedem Jahr wollen die Fachminister mehr Geld, als der Finanzminister ihnen zugestehen will. Doch diesmal liegen die Vorstellungen so weit auseinander, dass ein Kompromiss schwer vorstellbar ist. Deswegen baut Lindner Druck auf. Ganz bewusst nennt er keinen neuen Stichtag für die Haushalts-Eckpunkte, denn ohne finanzielle Sicherheit können die Ministerien nicht planen.

Auf rund 70 Milliarden Euro summieren sich die Wünsche der Ministerien. Die größten Brocken sind ein höherer Verteidigungshaushalt, Geld für eine Kindergrundsicherung und Mehrausgaben für Bildung. Lindner argumentiert, dass selbst ohne diese zusätzlichen Projekte das Geld knapp sei. Nach den Corona-Jahren brauchen die Krankenkassen Milliarden, um ihre Defizite auszugleichen, die Pflegeversicherung steht wegen der Alterung der Gesellschaft dermaßen unter Druck, dass sie reformiert werden muss.

Gleichzeitig reißen die Zinssteigerungen ein großes Loch in die Staatskasse. Deutschland sitzt auf einem Schuldenberg von rund 2,5 Billionen Euro. In diesem Jahr muss der Finanzminister rund 40 Milliarden Euro an Zinsen an die Gläubiger überweisen. Das ist zehnmal mehr als vor zwei Jahren.

Explodierende Zinsen

Schon deswegen will der Finanzminister nicht noch mehr Kredite aufnehmen, als er seit seinem Amtsantritt ohnehin musste. 2022 sind zur vereinbarten Sonderverschuldung von 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz weitere 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr und 200 Milliarden Euro Finanzhilfen für die Bürger zum Ausgleich der hohen Energiekosten dazugekommen.

Was hat Priorität?

Für die Grünen sind Kredite zwar Schulden, aber auch Investitionen in die Zukunft. Deswegen haben sie sich schon vor Wochen gegen Lindner und seine Sparauflagen gestellt. Wirtschaftsminister Robert Habeck schrieb im Namen aller grünen Minister einen Brief an den Finanzminister, in dem er ihm mitteilte, dass seine Partei nicht bereit sei, ihre im Koalitionsvertrag vereinbarten politischen Vorhaben zu opfern. Die Schuldenbremse sei keineswegs wichtiger.

In dem Brief kehrte Habeck vom vertraulichen “Du” zum offiziellen “Sie” zurück. Von der einstigen Harmonie, die SPD, Grüne und die FDP bei ihrem Amtsantritt im Dezember 2021 verbreiteten, ist nicht mehr viel übrig. Daran änderte auch eine Kabinettsklausur Anfang März nichts. Zwar betonte Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Treffen in Meseberg, es habe in der Ministerriege “ein sehr fühlbares Unterhaken” gegeben und man habe in vielen Fragen des Alltagsgeschäfts “auch Fortschritte gemacht”. Doch die demonstrative Einigkeit war schnell wieder dahin.

Im Angesicht knapper Kassen brechen in der Koalition jene Konflikte auf, die dem ungleichen Trio schon zum Amtsantritt prophezeit wurden. SPD und Grüne sind zwei linke Parteien, denen soziale Gerechtigkeit und Ökologie wichtig sind und die für einen starken Staat plädieren. Würden sie alleine regieren, hätten sie die Steuern für Wohlhabende deutlich erhöht. Die FDP propagiert in vielem davon das Gegenteil. Möglichst wenig Regulierung, niedrige Steuern und geringe Sozialausgaben. 

Mehr oder weniger Staat?

Während die Liberalen mit Blick auf den Haushalt ein “Ausgabenproblem” sehen, sprechen SPD und Grüne von einem “Einnahmenproblem”. Da für die FDP Steuererhöhungen aber genauso wenig in Frage kommen wie ein Verzicht auf die Schuldenbremse, fordern SPD und Grüne nun, Steuerschlupflöcher zu schließen und Subventionen zu streichen, um die Einnahmen des Staats zu erhöhen.

Dabei berufen sie sich auf die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. “Klimaschädliche Subventionen belasten den Staatshaushalt und verzögern die Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft”, sagte die Münchener Professorin in einem Zeitungsinterview. Damit meint sie beispielsweise Steuernachlässe für Kerosin, Dieselkraftstoff und privat genutzte Dienstwagen und die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge.

Milliardenschwere Steuererleichterungen

Laut Berechnungen könnten allein in diesem Bereich rund 30 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in die Kasse kommen. Unter Wirtschaftswissenschaftlern wird außerdem darüber diskutiert, die in der Corona-Pandemie gewährten Steuervergünstigungen für Gastronomie und Hotellerie wieder zu streichen und die Rente mit 63 Jahren sowie die Mütterrente zu begrenzen – auch mit Blick auf den Fachkräftemangel. Das würde einen weiteren zweistelligen Milliardenbetrag einbringen.

Niemand will die Koalition platzen lassen

Subventionen abbauen, die ihren Wählern zugutekommen, das will die FDP allerdings auch nicht. Genauso wenig kann sie von der Schuldenbremse abrücken oder Steuererhöhungen zulassen. FDP-Chef Lindner steht unter Druck, nachdem die Partei die letzten Landtagswahlen in Serie verloren hat und in den Wählerumfragen auf Bundesebene abgestürzt ist. Die Koalition platzen zu lassen, daran kann er kein Interesse haben.

Das eint die FDP mit der SPD. Neuwahlen könnten die Sozialdemokraten das Kanzleramt kosten. Scholz, der zudem für die Einhaltung der Schuldenbremse  plädiert, versucht, die Wogen zu glätten. Er habe als Finanzminister die Eckwerte auch einmal verschieben müssen, sagt er. “Das hat eigentlich nie große Aufregung ausgelöst, jetzt auch nicht, also jedenfalls bei mir nicht.”

Erfahrene Bundestagsabgeordnete setzen auf Zeit. Die Eckpunkte sind nur der erste Schritt, bis Juni muss die Regierung im Detail beschließen, was sie 2024 wofür ausgeben will. Dann hat der Bundestag das Wort, denn dort liegt die Budgethoheit. Final abgestimmt wird erst am 1. Dezember und der Erfahrung nach verlässt kein Haushalt das Parlament so, wie er von der Regierung hineingegeben wurde.

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