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Vertragsdienst für Wehrpflichtige? Wie Russland seine Armee aufstocken will

Vor dem Hintergrund der Frühjahrs-Einberufung zum Wehrdienst versucht der Staat junge Männer für den Vertragsdienst bei der russischen Armee zu gewinnen. Will man sie ins Kriegsgebiet in die Ukraine schicken?

Wie üblich hat am 1. April in Russland die Frühjahrseinberufung zum Wehrdienst begonnen. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zuvor ein Dekret unterzeichnet, demzufolge 147.000 Wehrpflichtige eingezogen werden sollen. Das sind etwa acht Prozent mehr als der Durchschnitt der Vorjahre. Im Frühjahr 2022 waren es beispielsweise 134.500.

Die Frühjahrseinberufung wird von einer Werbekampagne begleitet, mit der man die jungen Männer dafür gewinnen will, sich für den Militärdienst zu verpflichten. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete in diesem Zusammenhang unter Berufung auf informierte Quellen, das Kommando der russischen Armee wolle 400.000 neue Kämpfer rekrutieren, um sie für den Krieg gegen die Ukraine einzusetzen.

Wie üblich hat am 1. April in Russland die Frühjahrseinberufung zum Wehrdienst begonnen. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zuvor ein Dekret unterzeichnet, demzufolge 147.000 Wehrpflichtige eingezogen werden sollen. Das sind etwa acht Prozent mehr als der Durchschnitt der Vorjahre. Im Frühjahr 2022 waren es beispielsweise 134.500.

Gleichzeitig weist das russische Verteidigungsministerium Gerüchte und Berichte zurück, wonach es eine weitere Mobilmachung geben solle. “Der Generalstab plant keine zweite Mobilisierungswelle. Es reichen diejenigen, die schon zum Militärdienst einberufen wurden sowie diejenigen, die sich freiwillig an der Spezialoperation beteiligen”, versichert Wladimir Zimljanskij, der für die Abteilung beim russischen Generalstab tätig ist, die für die Mobilmachung zuständig ist. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine darf in Russland nur als “militärische Spezialoperation” bezeichnet werden.

Werbung für den Vertragsdienst

Sergej Tschernyschow ist Leiter einer Bildungseinrichtung in Nowosibirsk. Diese soll Werbung für den Vertragsdienst bei den russischen Streitkräften machen. Der Direktor des privaten Novocollege erhielt entsprechendes Material von den städtischen Behörden. In sozialen Netzwerken postete Tschernyschow daraufhin einen Flyer, der anpreist, welche Vorteile junge Menschen angeblich davon haben, wenn sie sich für den Dienst bei den russischen Streitkräften verpflichten.

“Man muss völlig daneben sein, um so etwas bei sich im Web zu posten. Meiner Meinung nach haben die Behörden eine falsche Zielgruppe für diese Werbung ausgesucht, denn Studenten müssen erst später zur Armee. Es ist verrückt, sie aufzufordern, alles liegenzulassen und in den Militärdienst zu wechseln. Sucht man völlige Idioten? Außerdem steht das im Widerspruch zu unseren Werten, dass Bildung von der Politik getrennt sein muss”, so Tschernyschow.

Das Portal “Taiga.Info” berichtet unterdessen, dass die Stadt Nowosibirsk ähnliche Flyer an Hausverwaltungen verschickt. Darin werden sie gebeten, Werbung für den Dienst in der Armee “an Schwarzen Brettern, an Haustüren und in Treppenhäusern” aufzuhängen.

Im Januar 2023 kündigte Verteidigungsminister Sergej Schoigu eine Reform der Armee an. Ihre Stärke soll demnach bis zum Jahr 2026 von 1,15 Millionen auf 1,5 Millionen Mann aufgestockt werden. Experten halten es aber für unrealistisch, so viele Kämpfer in so kurzer Zeit zu rekrutieren. Gleichzeitig wurde vom Kreml vorgeschlagen, das Einberufungsalter, das zwischen 18 und 27 Jahren liegt, auf 21 bis 30 Jahre anzuheben. Die Abgeordneten der russischen Staatsduma wollen aber vorerst nur die Obergrenze anheben, die Untergrenze soll schrittweise folgen. Dadurch wird der Kreis derjenigen, die zur Armee einberufen werden können, größer.

Mit dieser Reform habe aber die jetzige Frühjahrs-Einberufung nichts zu tun. Alexej Tabalow, Leiter der Menschenrechtsorganisation “Schule des Einberufenen”, glaubt, dass die Einberufung zum Wehrdienst “nach alten Regeln abgehalten wird”. Nur das Soll der Rekrutierung Wehrpflichtiger sei erhöht worden. Sergej Kriwenko, Leiter der Menschenrechtsgruppe “Bürger.Armee.Recht”, stimmt Tabalows Einschätzung zu: “Dies ist die letzte oder die vorletzte Einberufung, bei der nur unter 27-Jährige eingezogen werden.”

Kurz vor der Frühjahrs-Einberufung startete das russische Verteidigungsministerium eine Kampagne für den Vertragsdienst bei der Armee. Menschenrechtlern zufolge wurde während des Versands der Bescheide an die Wehrpflichtigen im März auch für einen Vertrag geworben. Zudem machen Beamte auf Telegram Werbung dafür, Flyer werden auch auf Webseiten vieler Kommunen platziert sowie in Standesämtern, Bibliotheken und Sportschulen aufgehängt.

Trotz Beteuerungen der russischen Behörden, Wehrpflichtige würden nicht an Kampfhandlungen in der Ukraine teilnehmen, tauchen in Medien immer wieder Appelle von Bürgern auf, deren Angehörige sich entweder im Kampfgebiet oder in dessen unmittelbarer Nähe befinden. So beklagt Galina aus dem Altai-Gebiet, ihrem Sohn werde gedroht, er könnte von Nowosibirsk, wo er seinen Wehrdienst leiste, in die Region Belgorod geschickt werden: “Warum sollte er nach drei Monaten Dienst bis an die Grenze zur Ukraine fahren. Der Präsident hat doch befohlen, keine Wehrpflichtigen ins Kampfgebiet zu schicken.”

Dass dies aber passiert, bestätigt der Menschenrechtsaktivist Alexej Tabalow: “Uns erreichen regelmäßig Berichte, dass Wehrpflichtige in die Grenzgebiete zur Ukraine zum Militärdienst geschickt werden.”

Anfang März 2022 hatte Wladimir Putin erklärt, dass keine Wehrpflichtigen an Kampfhandlungen in der Ukraine teilnehmen würden. Doch das Verteidigungsministerium räumte schnell Fehler ein und gestand, es seien tatsächlich Wehrpflichtige im Kampfgebiet entdeckt worden. Das bestätigen auch Angehörige toter Besatzungsmitglieder des Kreuzers “Moskwa”, der im April 2022 nach ukrainischem Raketenbeschuss im Schwarzen Meer gesunken ist.

In den letzten Monaten ist zudem bekannt geworden, dass Wehrpflichtige zum Bau von Unterständen und zum Ausheben von Schützengräben in die Grenzgebiete zur Ukraine abkommandiert werden. Angehörige von Wehrdienstleistenden posten immer mehr Fotos und Videos, die dies bestätigen. “Dass das Verteidigungsministerium die Mobilmachung dadurch ersetzen will, mehr Bürger für einen Vertragsdienst bei der Armee zu gewinnen, deutet darauf hin, dass Wehrpflichtige höchstwahrscheinlich die wichtigste Zielgruppe dieser Werbekampagne sind”, so Tabalow. Er befürchtet, dass es künftig mehr Fälle geben wird, bei denen Wehrdienstleistende unter Zwang zum Dienst in der Armee verpflichten werden.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

Ein Flyer wirbt für den Vertragsdienst bei den russischen Streitkräften
Verteidigungsminister Sergej Schoigu sitzt am Tisch

Wie üblich hat am 1. April in Russland die Frühjahrseinberufung zum Wehrdienst begonnen. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zuvor ein Dekret unterzeichnet, demzufolge 147.000 Wehrpflichtige eingezogen werden sollen. Das sind etwa acht Prozent mehr als der Durchschnitt der Vorjahre. Im Frühjahr 2022 waren es beispielsweise 134.500.

Die Frühjahrseinberufung wird von einer Werbekampagne begleitet, mit der man die jungen Männer dafür gewinnen will, sich für den Militärdienst zu verpflichten. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete in diesem Zusammenhang unter Berufung auf informierte Quellen, das Kommando der russischen Armee wolle 400.000 neue Kämpfer rekrutieren, um sie für den Krieg gegen die Ukraine einzusetzen.

Werbung für den Vertragsdienst

Gleichzeitig weist das russische Verteidigungsministerium Gerüchte und Berichte zurück, wonach es eine weitere Mobilmachung geben solle. “Der Generalstab plant keine zweite Mobilisierungswelle. Es reichen diejenigen, die schon zum Militärdienst einberufen wurden sowie diejenigen, die sich freiwillig an der Spezialoperation beteiligen”, versichert Wladimir Zimljanskij, der für die Abteilung beim russischen Generalstab tätig ist, die für die Mobilmachung zuständig ist. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine darf in Russland nur als “militärische Spezialoperation” bezeichnet werden.

Sergej Tschernyschow ist Leiter einer Bildungseinrichtung in Nowosibirsk. Diese soll Werbung für den Vertragsdienst bei den russischen Streitkräften machen. Der Direktor des privaten Novocollege erhielt entsprechendes Material von den städtischen Behörden. In sozialen Netzwerken postete Tschernyschow daraufhin einen Flyer, der anpreist, welche Vorteile junge Menschen angeblich davon haben, wenn sie sich für den Dienst bei den russischen Streitkräften verpflichten.

“Man muss völlig daneben sein, um so etwas bei sich im Web zu posten. Meiner Meinung nach haben die Behörden eine falsche Zielgruppe für diese Werbung ausgesucht, denn Studenten müssen erst später zur Armee. Es ist verrückt, sie aufzufordern, alles liegenzulassen und in den Militärdienst zu wechseln. Sucht man völlige Idioten? Außerdem steht das im Widerspruch zu unseren Werten, dass Bildung von der Politik getrennt sein muss”, so Tschernyschow.

Das Portal “Taiga.Info” berichtet unterdessen, dass die Stadt Nowosibirsk ähnliche Flyer an Hausverwaltungen verschickt. Darin werden sie gebeten, Werbung für den Dienst in der Armee “an Schwarzen Brettern, an Haustüren und in Treppenhäusern” aufzuhängen.

Kreml will Verstärkung der Armee

Im Januar 2023 kündigte Verteidigungsminister Sergej Schoigu eine Reform der Armee an. Ihre Stärke soll demnach bis zum Jahr 2026 von 1,15 Millionen auf 1,5 Millionen Mann aufgestockt werden. Experten halten es aber für unrealistisch, so viele Kämpfer in so kurzer Zeit zu rekrutieren. Gleichzeitig wurde vom Kreml vorgeschlagen, das Einberufungsalter, das zwischen 18 und 27 Jahren liegt, auf 21 bis 30 Jahre anzuheben. Die Abgeordneten der russischen Staatsduma wollen aber vorerst nur die Obergrenze anheben, die Untergrenze soll schrittweise folgen. Dadurch wird der Kreis derjenigen, die zur Armee einberufen werden können, größer.

Kommen Wehrpflichtige ins Kriegsgebiet?

Mit dieser Reform habe aber die jetzige Frühjahrs-Einberufung nichts zu tun. Alexej Tabalow, Leiter der Menschenrechtsorganisation “Schule des Einberufenen”, glaubt, dass die Einberufung zum Wehrdienst “nach alten Regeln abgehalten wird”. Nur das Soll der Rekrutierung Wehrpflichtiger sei erhöht worden. Sergej Kriwenko, Leiter der Menschenrechtsgruppe “Bürger.Armee.Recht”, stimmt Tabalows Einschätzung zu: “Dies ist die letzte oder die vorletzte Einberufung, bei der nur unter 27-Jährige eingezogen werden.”

Kurz vor der Frühjahrs-Einberufung startete das russische Verteidigungsministerium eine Kampagne für den Vertragsdienst bei der Armee. Menschenrechtlern zufolge wurde während des Versands der Bescheide an die Wehrpflichtigen im März auch für einen Vertrag geworben. Zudem machen Beamte auf Telegram Werbung dafür, Flyer werden auch auf Webseiten vieler Kommunen platziert sowie in Standesämtern, Bibliotheken und Sportschulen aufgehängt.

Trotz Beteuerungen der russischen Behörden, Wehrpflichtige würden nicht an Kampfhandlungen in der Ukraine teilnehmen, tauchen in Medien immer wieder Appelle von Bürgern auf, deren Angehörige sich entweder im Kampfgebiet oder in dessen unmittelbarer Nähe befinden. So beklagt Galina aus dem Altai-Gebiet, ihrem Sohn werde gedroht, er könnte von Nowosibirsk, wo er seinen Wehrdienst leiste, in die Region Belgorod geschickt werden: “Warum sollte er nach drei Monaten Dienst bis an die Grenze zur Ukraine fahren. Der Präsident hat doch befohlen, keine Wehrpflichtigen ins Kampfgebiet zu schicken.”

Dass dies aber passiert, bestätigt der Menschenrechtsaktivist Alexej Tabalow: “Uns erreichen regelmäßig Berichte, dass Wehrpflichtige in die Grenzgebiete zur Ukraine zum Militärdienst geschickt werden.”

Anfang März 2022 hatte Wladimir Putin erklärt, dass keine Wehrpflichtigen an Kampfhandlungen in der Ukraine teilnehmen würden. Doch das Verteidigungsministerium räumte schnell Fehler ein und gestand, es seien tatsächlich Wehrpflichtige im Kampfgebiet entdeckt worden. Das bestätigen auch Angehörige toter Besatzungsmitglieder des Kreuzers “Moskwa”, der im April 2022 nach ukrainischem Raketenbeschuss im Schwarzen Meer gesunken ist.

In den letzten Monaten ist zudem bekannt geworden, dass Wehrpflichtige zum Bau von Unterständen und zum Ausheben von Schützengräben in die Grenzgebiete zur Ukraine abkommandiert werden. Angehörige von Wehrdienstleistenden posten immer mehr Fotos und Videos, die dies bestätigen. “Dass das Verteidigungsministerium die Mobilmachung dadurch ersetzen will, mehr Bürger für einen Vertragsdienst bei der Armee zu gewinnen, deutet darauf hin, dass Wehrpflichtige höchstwahrscheinlich die wichtigste Zielgruppe dieser Werbekampagne sind”, so Tabalow. Er befürchtet, dass es künftig mehr Fälle geben wird, bei denen Wehrdienstleistende unter Zwang zum Dienst in der Armee verpflichten werden.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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