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Ukraine: Deutsche Weltkriegstote im neuen Schützengraben

Mitten im Sterben in der Ukraine erinnert die Arbeit des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge an die Schrecken des Zweiten Weltkrieges in dem Land.

Zuletzt hatte der Pfarrer der Ortskirche im kleinen Ort Sopiv im Westen der Ukraine den Tipp gegeben: Die Gebeine von 41 Wehrmachtssoldaten wurden hier im April ausgegraben von Fachleuten des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Und das mitten in diesem Krieg heute in der Ukraine. Der Pfarrer hatte berichtet, dass in der Nähe des Dorfes in der Oblast (Region) Iwanko-Frankiwsk in den 1940er Jahren ein deutsches Sanitätsflugzeug abgestürzt sein soll. “Die Einwohner hätten die über das ganze Feld verstreuten Leichen geborgen und hinter der Kirche bestattet”, zitiert der Volksbund in einer Mitteilung den Pfarrer. Nach der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 sollen Dorfbewohner dann Holzkreuze an dem Gräberfeld aufgestellt haben. 

Die Schrecken des Krieges damals schlagen einen Bogen zum heutigen Krieg in der Ukraine. Besonders bei einem anderen Fund am nördlichen Stadtrand der Hauptstadt Kiew. Dort liegt der Ausflugsort Wyschhorod direkt am Staudamm, der den Zufluss des Dnjepr nach Kiew reguliert. Hier haben ukrainische Soldatinnen und Soldaten nach Beginn der Invasion Russlands am 24. Februar 2022 die Gebeine von zwei Wehrmachtssoldaten gefunden. “Es wurde ein Schützengraben ausgegraben, und dabei wurden zuerst Gebeine gefunden und dann eine Erkennungsmarke, woran die Soldaten erkannt haben, dass es sich um deutsche Kriegstote handelt”, sagt Wladimir Ioseliani, der für die Ukraine zuständige Umbettungsleiter im Gespräch mit der DW. Das war im April 2022, während der ersten Phase des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Zuletzt hatte der Pfarrer der Ortskirche im kleinen Ort Sopiv im Westen der Ukraine den Tipp gegeben: Die Gebeine von 41 Wehrmachtssoldaten wurden hier im April ausgegraben von Fachleuten des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Und das mitten in diesem Krieg heute in der Ukraine. Der Pfarrer hatte berichtet, dass in der Nähe des Dorfes in der Oblast (Region) Iwanko-Frankiwsk in den 1940er Jahren ein deutsches Sanitätsflugzeug abgestürzt sein soll. “Die Einwohner hätten die über das ganze Feld verstreuten Leichen geborgen und hinter der Kirche bestattet”, zitiert der Volksbund in einer Mitteilung den Pfarrer. Nach der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 sollen Dorfbewohner dann Holzkreuze an dem Gräberfeld aufgestellt haben. 

Damals staute sich eine 40 Kilometer lange russische Militärkolonne unweit von Wyschhorod auf dem Weg in die Hauptstadt. Die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten hätten dann “auf eigene Initiative geforscht und herausgefunden, dass es in der Ukraine eine Volksbund-Vertretung gibt, und sie haben sich mit uns in Kontakt gesetzt, und wir haben uns verabredet”, so Ioseliani. Allerdings sei dieser Fund ein Einzelfall gewesen im vergangenen Jahr, so Volksbund-Mitarbeiter Ioseliani. Denn In den umkämpften Gebieten der Ukraine hatte der deutsche Verein im vergangenen Jahr seine Arbeit eingestellt und sich auf relativ sichere Gebiete im Westen und der Zentral-Ukraine zurückgezogen. 

Ukrainische Soldaten entdecken Überreste der Wehrmacht

Immerhin 816 deutsche Kriegstote aus dem Zweiten Weltkrieg, die Täter von Hitlers Überfall auf die damals zur Sowjetunion gehörende Ukraine, hat der Volksbund vergangenes Jahr bergen können. Das waren nach Volksbund-Angaben halb so viele wie in den Vorjahren. Aber das mitten in diesem neuen Krieg. “Es ist für mich sehr schwer gewesen, muss ich ehrlich sagen”, so Volksbund-Mitarbeiter Ioseliani.

Als der Krieg anfing, habe er die Zerstörungen im Fernsehen von Deutschland aus beobachtet, “und ich konnte auch sagen, hier an diesem Platz in Charkow war ich doch noch vor zwei Monaten”. Dann standen dort nur noch Ruinen – “das ist schon eine sehr, sehr große Belastung”, sagt Iosiliani, der selbst aus der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien stammt. Plötzlich vermischt sich die historische Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg mit den Schrecken dieses aktuellen Krieges, der heute jeden Tag Tod und Flucht über die Ukraine bringt. 

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge war in der Weimarer Republik, dem ersten demokratischen Staat auf deutschem Boden, nach dem Ersten Weltkrieg gegründet worden, um zunächst die Kriegstoten des Schlachtens von Verdun oder Ypern zu bergen und zu bestatten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte der Verein seine Arbeit zunächst in Westdeutschland fort und später auch in den westeuropäischen Nachbarländern. 

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs konnte der Volksbund erstmals seine Arbeit auch auf die Länder Ostmitteleuropas und die frühere Sowjetunion ausweiten. Also vor allem auf Polen, Belarus und die Ukraine, aber auch auf Russland selbst, das heißt, auf Länder, die von der Wehrmacht im Auftrag Adolf Hitlers mit einem Vernichtungsfeldzug überzogen worden waren. 

Die Vorgehensweise folgt dabei einem festgelegten Schema, sagt Diane Tempel-Bornett, die Sprecherin des Volksbundes, im DW-Interview. Die Herkunft von deutschen Kriegstoten erkenne man “klassischerweise an den Beifunden”. So seien oft die Schnürstiefel von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen auch 78 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch erhalten. 

Wichtig seien aber auch die Kennungen der Soldaten, “weil deutsche Soldaten fast immer Erkennungsmarken trugen. Das heißt aber nicht automatisch, wenn jemand eine Erkennungsmarke hat, dass es auch diese Person ist.” Es seien mehr als sieben Schritte nötig, um eine Person zu identifizieren. Das Alter könne oft anhand von Gebiss oder der Schädelbeschaffenheit rekonstruiert werden. “An der Länge des Oberschenkelknochens kann man die ungefähre Größe feststellen.” Die Fundstellen werden mit Informationen aus dem deutschen Bundesarchiv abgeglichen. Oft stehen alte Wehrmachtsakten auch am Beginn von Grabungsarbeiten. Allerdings werde “bei geringen Zweifeln einer Identität von Identifizierung Abstand genommen”, so die Volksbund-Sprecherin. 

Doch bis heute werden in Deutschland immer wieder Familienangehörige informiert, wenn die Identität von gefallenen deutschen Soldaten zweifelsfrei festgestellt werden kann. 

Begraben werden die sterblichen Überreste dann auf verschiedenen Friedhöfen des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge in ganz Europa und oft im Beisein von Angehörigen aus Deutschland – auch in der Ukraine. “Vor dem Krieg haben wir jährlich zweimal eingebettet auf jedem Friedhof”, sagt Umbettungsleiter Wladimir Ioseliani. Allerdings nicht im Jahr 2022. Aus Sicherheitsgründen. Der Volksbund hofft auf ein Ende von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, um die 816 im vergangenen Jahr ausgegrabenen Kriegstoten bestatten zu können. 

Mitarbeit: Mykola Berdnyk

Ein Mann geht auf Krücken an einem zerstörten russischen Panzer vorbei

Zuletzt hatte der Pfarrer der Ortskirche im kleinen Ort Sopiv im Westen der Ukraine den Tipp gegeben: Die Gebeine von 41 Wehrmachtssoldaten wurden hier im April ausgegraben von Fachleuten des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Und das mitten in diesem Krieg heute in der Ukraine. Der Pfarrer hatte berichtet, dass in der Nähe des Dorfes in der Oblast (Region) Iwanko-Frankiwsk in den 1940er Jahren ein deutsches Sanitätsflugzeug abgestürzt sein soll. “Die Einwohner hätten die über das ganze Feld verstreuten Leichen geborgen und hinter der Kirche bestattet”, zitiert der Volksbund in einer Mitteilung den Pfarrer. Nach der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 sollen Dorfbewohner dann Holzkreuze an dem Gräberfeld aufgestellt haben. 

Die Schrecken des Krieges damals schlagen einen Bogen zum heutigen Krieg in der Ukraine. Besonders bei einem anderen Fund am nördlichen Stadtrand der Hauptstadt Kiew. Dort liegt der Ausflugsort Wyschhorod direkt am Staudamm, der den Zufluss des Dnjepr nach Kiew reguliert. Hier haben ukrainische Soldatinnen und Soldaten nach Beginn der Invasion Russlands am 24. Februar 2022 die Gebeine von zwei Wehrmachtssoldaten gefunden. “Es wurde ein Schützengraben ausgegraben, und dabei wurden zuerst Gebeine gefunden und dann eine Erkennungsmarke, woran die Soldaten erkannt haben, dass es sich um deutsche Kriegstote handelt”, sagt Wladimir Ioseliani, der für die Ukraine zuständige Umbettungsleiter im Gespräch mit der DW. Das war im April 2022, während der ersten Phase des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Ukrainische Soldaten entdecken Überreste der Wehrmacht

Damals staute sich eine 40 Kilometer lange russische Militärkolonne unweit von Wyschhorod auf dem Weg in die Hauptstadt. Die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten hätten dann “auf eigene Initiative geforscht und herausgefunden, dass es in der Ukraine eine Volksbund-Vertretung gibt, und sie haben sich mit uns in Kontakt gesetzt, und wir haben uns verabredet”, so Ioseliani. Allerdings sei dieser Fund ein Einzelfall gewesen im vergangenen Jahr, so Volksbund-Mitarbeiter Ioseliani. Denn In den umkämpften Gebieten der Ukraine hatte der deutsche Verein im vergangenen Jahr seine Arbeit eingestellt und sich auf relativ sichere Gebiete im Westen und der Zentral-Ukraine zurückgezogen. 

Immerhin 816 deutsche Kriegstote aus dem Zweiten Weltkrieg, die Täter von Hitlers Überfall auf die damals zur Sowjetunion gehörende Ukraine, hat der Volksbund vergangenes Jahr bergen können. Das waren nach Volksbund-Angaben halb so viele wie in den Vorjahren. Aber das mitten in diesem neuen Krieg. “Es ist für mich sehr schwer gewesen, muss ich ehrlich sagen”, so Volksbund-Mitarbeiter Ioseliani.

Als der Krieg anfing, habe er die Zerstörungen im Fernsehen von Deutschland aus beobachtet, “und ich konnte auch sagen, hier an diesem Platz in Charkow war ich doch noch vor zwei Monaten”. Dann standen dort nur noch Ruinen – “das ist schon eine sehr, sehr große Belastung”, sagt Iosiliani, der selbst aus der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien stammt. Plötzlich vermischt sich die historische Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg mit den Schrecken dieses aktuellen Krieges, der heute jeden Tag Tod und Flucht über die Ukraine bringt. 

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge war in der Weimarer Republik, dem ersten demokratischen Staat auf deutschem Boden, nach dem Ersten Weltkrieg gegründet worden, um zunächst die Kriegstoten des Schlachtens von Verdun oder Ypern zu bergen und zu bestatten.

816 deutsche Kriegstote umgebettet

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte der Verein seine Arbeit zunächst in Westdeutschland fort und später auch in den westeuropäischen Nachbarländern. 

Volksbund: Gründung nach dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs konnte der Volksbund erstmals seine Arbeit auch auf die Länder Ostmitteleuropas und die frühere Sowjetunion ausweiten. Also vor allem auf Polen, Belarus und die Ukraine, aber auch auf Russland selbst, das heißt, auf Länder, die von der Wehrmacht im Auftrag Adolf Hitlers mit einem Vernichtungsfeldzug überzogen worden waren. 

Die Vorgehensweise folgt dabei einem festgelegten Schema, sagt Diane Tempel-Bornett, die Sprecherin des Volksbundes, im DW-Interview. Die Herkunft von deutschen Kriegstoten erkenne man “klassischerweise an den Beifunden”. So seien oft die Schnürstiefel von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen auch 78 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch erhalten. 

Wichtig seien aber auch die Kennungen der Soldaten, “weil deutsche Soldaten fast immer Erkennungsmarken trugen. Das heißt aber nicht automatisch, wenn jemand eine Erkennungsmarke hat, dass es auch diese Person ist.” Es seien mehr als sieben Schritte nötig, um eine Person zu identifizieren. Das Alter könne oft anhand von Gebiss oder der Schädelbeschaffenheit rekonstruiert werden. “An der Länge des Oberschenkelknochens kann man die ungefähre Größe feststellen.” Die Fundstellen werden mit Informationen aus dem deutschen Bundesarchiv abgeglichen. Oft stehen alte Wehrmachtsakten auch am Beginn von Grabungsarbeiten. Allerdings werde “bei geringen Zweifeln einer Identität von Identifizierung Abstand genommen”, so die Volksbund-Sprecherin. 

Sieben Schritte zur Identifizierung

Doch bis heute werden in Deutschland immer wieder Familienangehörige informiert, wenn die Identität von gefallenen deutschen Soldaten zweifelsfrei festgestellt werden kann. 

Begraben werden die sterblichen Überreste dann auf verschiedenen Friedhöfen des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge in ganz Europa und oft im Beisein von Angehörigen aus Deutschland – auch in der Ukraine. “Vor dem Krieg haben wir jährlich zweimal eingebettet auf jedem Friedhof”, sagt Umbettungsleiter Wladimir Ioseliani. Allerdings nicht im Jahr 2022. Aus Sicherheitsgründen. Der Volksbund hofft auf ein Ende von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, um die 816 im vergangenen Jahr ausgegrabenen Kriegstoten bestatten zu können. 

Mitarbeit: Mykola Berdnyk

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