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Fahrrad statt Auto: Mehr nachhaltige Mobilität für Städte

In den Niederlanden hat das Rad schon lange Vorfahrt, nun ziehen immer mehr Städte in anderen Ländern nach. Der Umbau trifft auch auf Widerstand. Doch was viele Autofahrer anfangs nervt, bringt neues Leben in die Stadt.

Groningen im Norden der Niederlande ist ein Eldorado für Radfahrer: Nur wenige Autos fahren durch die Stadt mit 240.000 Einwohnern. Wer stattdessen radelt, kommt schneller und dank der vielen Fahrradstraßen und Radschnellwege auch entspannt ans Ziel. 

“In den 70er-Jahren sah das Zentrum von Groningen komplett anders aus als heute. In der gesamten Innenstadt waren Autos unterwegs”, erklärt der ehemalige Stadtrat für räumliche Entwicklung in Groningen, Roeland van der Schaaf. “Dann entwarfen wir einen Verkehrsplan, der die Innenbereiche in vier Teile aufteilt. Es war danach nicht mehr möglich, mit dem Auto von einem Teil der Stadt in den anderen zu kommen – nur zu Fuß oder mit dem Rad.” Als eine der ersten Städte in Europa wurden in Groningen ganz neue Konzepte erprobt.

Groningen im Norden der Niederlande ist ein Eldorado für Radfahrer: Nur wenige Autos fahren durch die Stadt mit 240.000 Einwohnern. Wer stattdessen radelt, kommt schneller und dank der vielen Fahrradstraßen und Radschnellwege auch entspannt ans Ziel. 

Groningen gilt inzwischen als einer der glücklichsten Orte der Welt. “Wir fragen: Was für eine Art von Straße wollt ihr haben? Und nicht: Wo wollt ihr parken? Und die Leute sagen: Oh, ich hätte gerne eine Straße, wo die Kinder spielen können, wo es nett ist und ich Nachbarn treffen kann”, so van der Schaaf. “Wenn du mit dieser Frage startest, dann verändert sich die ganze Diskussion.”

Mehr Lebensqualität und Sicherheit mit weniger Autos 

Weil Räder Vorfahrt haben, trägt kaum jemand einen Fahrradhelm, Unfälle sind selten und Kinder radeln ohne Elternbegleitung zur Schule. Dank der kostenlosen Fahrradparkhäuser und günstigen Leihräder kommen viele Pendler aus dem Umland bequem mit dem Rad vom Bahnhof zur Arbeit.

Immer mehr Städte übernehmen die erprobten Konzepte. So sperrt Barcelona in Spanien inzwischen einzelne Stadtquartiere, sogenannte Superblocks, für die Durchfahrt von Autos. Nur Anwohner und Lieferfahrzeuge können noch per PKW in die Quartiere. Aus ehemaligen Straßenkreuzungen wurden grüne Plätze mit Bänken, Kinder spielen ohne Autogefahr und die Anwohner freuen sich über weniger Verkehrslärm. 

“Die Vorteile überwiegen zweifellos bei Weitem”, so ein Vater, der einen Kinderwagen schiebt, gegenüber der DW. “Vor allem: Die Menschen bringen die Stadt wieder zum Leben! Die Leute haben wieder das Gefühl, die Straße gehört ihnen Und dadurch fühlst du dich viel lebendiger als vorher.”

Barcelona will bis 2030 insgesamt 500 Stadtquartiere umgestalten und jede dritte Straße für den Durchgangsverkehr sperren. Luftverschmutzung, Lärm und CO2-Ausstoß werden damit gesenkt, gleichzeitig verbessern sich die Lebensqualität und der Gesundheitsschutz, betont Janet Sanz, Barcelonas stellvertretende Bürgermeisterin.

“Wir brauchen in der Stadt mehr Platz für Fußgänger, zum Spielen, einfach zum Sein oder zum Arbeiten. Und wir brauchen auch mehr Platz für den öffentlichen Verkehr, zum Radfahren, um uns anders zu bewegen.” 

Auch Paris setzt auf mehr Lebensqualität, nachhaltigeren Verkehr und Klimaschutz: Der individuelle Autoverkehr soll reduziert werden zugunsten von Fußgängern und Radfahrern. Zugleich wird das Metronetz auf 450 Kilometer verdoppelt. 12 Millionen Menschen leben in der französischen Metropole, sie ist die am dichtesten besiedelte Stadt Europas.

Früher stauten sich Autos auf der Stadtautobahn am Seineufer, nun wird hier gejoggt. “Der Autoverkehr ist hier komplett weg und nur noch Fußgänger und Radfahrer dürfen die Strecke nutzen”, erklärt Radfahrer Altis Play. “Das bringt viel Leben zurück.”

Vorangetrieben wird der Umbau von der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Seit ihrem Amtsantritt 2014 wurden über 1000 Kilometer Radwege angelegt und Tempo 30 in der ganzen Stadt eingeführt. 

Um die Luftqualität zu verbessern, sollen zudem ab 2024 keine Dieselautos und ab 2030 keine Benziner mehr in Paris fahren. “Die Rolle des Fahrrads in einer Stadt wie Paris ist entscheidend. Private Autos sind unwichtig im Zentrum der Städte. Das tut mir leid für jeden Autofahrer, der glaubt, der öffentliche Raum ist nur für mein Auto da,” findet der Pariser Stadtplaner Carlos Moreno.

Immer mehr Städte sperren Fahrstreifen, um dort Rad- und Fußwege zu schaffen. Vor allem vor der Umsetzung gibt es häufig Bedenken, und viele Autofahrer sind besonders am Anfang kritisch. 

“Wir sehen bei all diesen Veränderungen auch viel Wiederstand von Menschen, wie immer bei Veränderungen. Wir müssen das ernst nehmen. Sie leisten Widerstand, weil manche etwas verlieren werden. Anderseits verlieren Kinder im Stadtverkehr seit Jahrzehnten ihre Freiheit, doch sie haben bisher keine Stimme”, sagt Professor Marco te Brommelstroet vom Fachbereich Urban Mobility Futures an der Universität Amsterdam. 

Er vergleicht die derzeitige Diskussion mit den Debatten in den Niederlanden der 70er- und 80er-Jahre. Die Erfahrung in den Niederlanden macht ihn optimistisch, dass der Umbau auch anderswo gelingt. “Wir müssen denjenigen Menschen, die es wirklich brauchen, ein Auto ermöglichen. Aber andere Dinge, wie etwa die Freiheit, mit dem Privatfahrzeug so schnell wie möglich durch die Stadt zu fahren, ja, das wirst du verlieren,” erklärt der Verkehrsexperte. “Im Gegenzug gewinnen so viele andere und auch man selbst. Wir müssen der schweigenden Mehrheit eine Stimme geben, die bislang schon seit Jahrzehnten verliert.”

“Die Revolution ist wirklich im Gange”, beschreibt Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, den Trend zu mehr Fahrradverkehr. Während der Corona-Pandemie reduzierten viele Städte Fahrspuren für Autos. Fast einstimmig beschloss im Februar 2023 das Europäische Parlament, die Zahl der mit dem Fahrrad zurückgelegten Kilometer in der EU bis 2030 zu verdoppeln. 

Die EU-Kommission will nun eine europäische Fahrradstrategie entwickeln, und das Jahr 2024 zu einem Europäischen Jahr des Radverkehrs erklären.

Nicht nur in Europa, auch weltweit nimmt der Radverkehr insgesamt zu, sagt Angela Francke, Professorin für Radverkehr und Nahmobilität in Kassel. “Das E-Bike hat sich durchgesetzt. Auch Menschen, die nicht so fit sind, können jetzt mit dem Pedelec Berge und längere Distanzen fahren. Ein Pedelec-Fahrer strahlt einfach nur, wenn er den Berg hochfährt und das schafft.” 

E-Bikes förderten den Umstieg aufs Rad und helfen, viele Ziele in der Stadt schneller zu erreichen als mit dem Auto. “Die meisten Wege sind unter fünf Kilometer lang, und das Fahrrad ist das schnellste Verkehrsmittel.”

Nebenbei sei Radfahren nicht nur umweltfreundlich und halte fit, sondern es hat auch noch eine weitere entspannende Auswirkung, findet Francke. “Das gleichförmige Fahren, diese Pedalbewegungen wirken positiv, das hat mentale Effekte: Man bekommt den Kopf frei.”

Fahrradfahrer und Fußgänger im Stadtzentrum von Groningen. Im Hintergrund ein Flohmarkt
Frankreich Paris - Tempo 30
Fahrradfahrer und Fußgänger in Amsterdam, Niederlande

Groningen im Norden der Niederlande ist ein Eldorado für Radfahrer: Nur wenige Autos fahren durch die Stadt mit 240.000 Einwohnern. Wer stattdessen radelt, kommt schneller und dank der vielen Fahrradstraßen und Radschnellwege auch entspannt ans Ziel. 

“In den 70er-Jahren sah das Zentrum von Groningen komplett anders aus als heute. In der gesamten Innenstadt waren Autos unterwegs”, erklärt der ehemalige Stadtrat für räumliche Entwicklung in Groningen, Roeland van der Schaaf. “Dann entwarfen wir einen Verkehrsplan, der die Innenbereiche in vier Teile aufteilt. Es war danach nicht mehr möglich, mit dem Auto von einem Teil der Stadt in den anderen zu kommen – nur zu Fuß oder mit dem Rad.” Als eine der ersten Städte in Europa wurden in Groningen ganz neue Konzepte erprobt.

Mehr Lebensqualität und Sicherheit mit weniger Autos 

Groningen gilt inzwischen als einer der glücklichsten Orte der Welt. “Wir fragen: Was für eine Art von Straße wollt ihr haben? Und nicht: Wo wollt ihr parken? Und die Leute sagen: Oh, ich hätte gerne eine Straße, wo die Kinder spielen können, wo es nett ist und ich Nachbarn treffen kann”, so van der Schaaf. “Wenn du mit dieser Frage startest, dann verändert sich die ganze Diskussion.”

Weil Räder Vorfahrt haben, trägt kaum jemand einen Fahrradhelm, Unfälle sind selten und Kinder radeln ohne Elternbegleitung zur Schule. Dank der kostenlosen Fahrradparkhäuser und günstigen Leihräder kommen viele Pendler aus dem Umland bequem mit dem Rad vom Bahnhof zur Arbeit.

Immer mehr Städte übernehmen die erprobten Konzepte. So sperrt Barcelona in Spanien inzwischen einzelne Stadtquartiere, sogenannte Superblocks, für die Durchfahrt von Autos. Nur Anwohner und Lieferfahrzeuge können noch per PKW in die Quartiere. Aus ehemaligen Straßenkreuzungen wurden grüne Plätze mit Bänken, Kinder spielen ohne Autogefahr und die Anwohner freuen sich über weniger Verkehrslärm. 

“Die Vorteile überwiegen zweifellos bei Weitem”, so ein Vater, der einen Kinderwagen schiebt, gegenüber der DW. “Vor allem: Die Menschen bringen die Stadt wieder zum Leben! Die Leute haben wieder das Gefühl, die Straße gehört ihnen Und dadurch fühlst du dich viel lebendiger als vorher.”

Lust auf urbanes Leben und weniger Staus in Paris

Barcelona will bis 2030 insgesamt 500 Stadtquartiere umgestalten und jede dritte Straße für den Durchgangsverkehr sperren. Luftverschmutzung, Lärm und CO2-Ausstoß werden damit gesenkt, gleichzeitig verbessern sich die Lebensqualität und der Gesundheitsschutz, betont Janet Sanz, Barcelonas stellvertretende Bürgermeisterin.

Widerstand gegen Veränderungen ernst nehmen – neue Chancen für Städte schaffen

“Wir brauchen in der Stadt mehr Platz für Fußgänger, zum Spielen, einfach zum Sein oder zum Arbeiten. Und wir brauchen auch mehr Platz für den öffentlichen Verkehr, zum Radfahren, um uns anders zu bewegen.” 

Auch Paris setzt auf mehr Lebensqualität, nachhaltigeren Verkehr und Klimaschutz: Der individuelle Autoverkehr soll reduziert werden zugunsten von Fußgängern und Radfahrern. Zugleich wird das Metronetz auf 450 Kilometer verdoppelt. 12 Millionen Menschen leben in der französischen Metropole, sie ist die am dichtesten besiedelte Stadt Europas.

Früher stauten sich Autos auf der Stadtautobahn am Seineufer, nun wird hier gejoggt. “Der Autoverkehr ist hier komplett weg und nur noch Fußgänger und Radfahrer dürfen die Strecke nutzen”, erklärt Radfahrer Altis Play. “Das bringt viel Leben zurück.”

Pandemie, Infrastruktur und E-Technik stärken Radverkehr weltweit 

Vorangetrieben wird der Umbau von der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Seit ihrem Amtsantritt 2014 wurden über 1000 Kilometer Radwege angelegt und Tempo 30 in der ganzen Stadt eingeführt. 

Um die Luftqualität zu verbessern, sollen zudem ab 2024 keine Dieselautos und ab 2030 keine Benziner mehr in Paris fahren. “Die Rolle des Fahrrads in einer Stadt wie Paris ist entscheidend. Private Autos sind unwichtig im Zentrum der Städte. Das tut mir leid für jeden Autofahrer, der glaubt, der öffentliche Raum ist nur für mein Auto da,” findet der Pariser Stadtplaner Carlos Moreno.

Immer mehr Städte sperren Fahrstreifen, um dort Rad- und Fußwege zu schaffen. Vor allem vor der Umsetzung gibt es häufig Bedenken, und viele Autofahrer sind besonders am Anfang kritisch. 

“Wir sehen bei all diesen Veränderungen auch viel Wiederstand von Menschen, wie immer bei Veränderungen. Wir müssen das ernst nehmen. Sie leisten Widerstand, weil manche etwas verlieren werden. Anderseits verlieren Kinder im Stadtverkehr seit Jahrzehnten ihre Freiheit, doch sie haben bisher keine Stimme”, sagt Professor Marco te Brommelstroet vom Fachbereich Urban Mobility Futures an der Universität Amsterdam. 

Demonstration von Radfahrern in Lausanne. Mutter und Tochter heben die Hände

Er vergleicht die derzeitige Diskussion mit den Debatten in den Niederlanden der 70er- und 80er-Jahre. Die Erfahrung in den Niederlanden macht ihn optimistisch, dass der Umbau auch anderswo gelingt. “Wir müssen denjenigen Menschen, die es wirklich brauchen, ein Auto ermöglichen. Aber andere Dinge, wie etwa die Freiheit, mit dem Privatfahrzeug so schnell wie möglich durch die Stadt zu fahren, ja, das wirst du verlieren,” erklärt der Verkehrsexperte. “Im Gegenzug gewinnen so viele andere und auch man selbst. Wir müssen der schweigenden Mehrheit eine Stimme geben, die bislang schon seit Jahrzehnten verliert.”

“Die Revolution ist wirklich im Gange”, beschreibt Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, den Trend zu mehr Fahrradverkehr. Während der Corona-Pandemie reduzierten viele Städte Fahrspuren für Autos. Fast einstimmig beschloss im Februar 2023 das Europäische Parlament, die Zahl der mit dem Fahrrad zurückgelegten Kilometer in der EU bis 2030 zu verdoppeln. 

Die EU-Kommission will nun eine europäische Fahrradstrategie entwickeln, und das Jahr 2024 zu einem Europäischen Jahr des Radverkehrs erklären.

Nicht nur in Europa, auch weltweit nimmt der Radverkehr insgesamt zu, sagt Angela Francke, Professorin für Radverkehr und Nahmobilität in Kassel. “Das E-Bike hat sich durchgesetzt. Auch Menschen, die nicht so fit sind, können jetzt mit dem Pedelec Berge und längere Distanzen fahren. Ein Pedelec-Fahrer strahlt einfach nur, wenn er den Berg hochfährt und das schafft.” 

E-Bikes förderten den Umstieg aufs Rad und helfen, viele Ziele in der Stadt schneller zu erreichen als mit dem Auto. “Die meisten Wege sind unter fünf Kilometer lang, und das Fahrrad ist das schnellste Verkehrsmittel.”

Nebenbei sei Radfahren nicht nur umweltfreundlich und halte fit, sondern es hat auch noch eine weitere entspannende Auswirkung, findet Francke. “Das gleichförmige Fahren, diese Pedalbewegungen wirken positiv, das hat mentale Effekte: Man bekommt den Kopf frei.”

Mitarbeit: Miguel Cano und Michael Trobridge vom DW-Moblitätsmagazin REV

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