Suche nach Atomdeal mit Iran im Schatten des Ukraine-Kriegs
Der Westen und Iran steuern trotz russischer Störmanöver auf einen Abschluss bei den Atomverhandlungen zu.
Trotz des russischen Störmanövers bei den Wiener Verhandlungen zur Wiederinkraftsetzung des Atomdeals mit dem Iran (JCPOA) gab es in der vergangenen Woche erneut mehrfach Signale, dass ein Abschluss kurz bevorstehen könnte. Russland hatte als Bedingung für seine weitere Mitarbeit in den Verhandlungen eine Garantie für seinen freien Handel mit dem Iran verlangt, sobald die USA ihre Sanktionen gegen den Iran – als Teil der in Wien verfolgten Verhandlungslösung – aufgehoben hätten.
Da Russland wegen seiner unverminderten Angriffe auf die Ukraine unter westlichen Wirtschafts- und Handelssanktionen steht, die eher aus- als abgebaut werden, wurde dieses Ansinnen Moskaus abgelehnt, und die Verhandlungen wurden unterbrochen: Aufgrund “externer Faktoren”, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf Twitter mitteilte.
Trotz des russischen Störmanövers bei den Wiener Verhandlungen zur Wiederinkraftsetzung des Atomdeals mit dem Iran (JCPOA) gab es in der vergangenen Woche erneut mehrfach Signale, dass ein Abschluss kurz bevorstehen könnte. Russland hatte als Bedingung für seine weitere Mitarbeit in den Verhandlungen eine Garantie für seinen freien Handel mit dem Iran verlangt, sobald die USA ihre Sanktionen gegen den Iran – als Teil der in Wien verfolgten Verhandlungslösung – aufgehoben hätten.
Daraufhin reiste der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian vergangenen Dienstag nach Moskau. “Es wird absolut keine Verbindung zwischen den Entwicklungen in der Ukraine und den Wiener Gesprächen geben”, erklärte er während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau. Dieser wiederum signalisierte, dass Moskau keine neuen Bedingungen stellen wolle: “Wir haben schriftliche Garantien erhalten. Sie sind im Text des Abkommens über die Wiederherstellung des JCPOA enthalten”, erklärte Lawrow. “An allen Projekten und Aktivitäten, die im JCPOA vorgesehen sind, können (russische) Firmen und Spezialisten sich beteiligen.”
“Garantien” für Russland?
Der amerikanische Außenamtssprecher Ned Price stellte dazu klar, dass Washington eine Beteiligung Russlands an nuklearbezogenen Projekten im Rahmen einer wiederhergestellten Atomvereinbarung “natürlich” nicht sanktionieren werde. “Aber darüber hinaus haben wir Russland keine Zusicherungen gegeben und können und werden das nicht tun.”
Wie stark sowohl die westlichen Staaten wie auch der Iran an einem erfolgreichen Abschluss der Gespräche interessiert sind, deutete sich diese Woche auch darin an, dass die iranisch-britische Journalistin Nazanin Zaghari-Ratcliffe, im Iran wegen angeblicher Spionage zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, sowie ein weiterer iranisch-britischer Staatsbürger das Land nun verlassen konnten. Zudem berichte die Nachrichtenagentur Reuters, die USA dächten darüber nach, die Iranischen Revolutionsgarden von ihrer Terrorliste zu streichen, auf die sie die Regierung von Donald Trump 2019 gesetzt hatte.
Die in Wien versammelten Gesprächspartner wünschen aus unterschiedlichen Gründen einen baldigen erfolgreichen Abschluss. Iran wolle die erneuerte Atomvereinbarung vor allem deshalb unter Dach und Fach bringen, weil der JCPOA einen vom UN-Sicherheitsrat garantierten Status nur bis zum Oktober 2025 hat, sagt David Jalilvand, Geschäftsführer des Beratungs-Unternehmens Orient Matters. Dann sitze eventuell ein Republikaner als Nachfolger von Joe Biden im Weißen Haus, und die USA könnten erneut aus dem Atomabkommen aussteigen. “Mit anderen Worten, wir schauen ohnehin auf einen Zeitraum von nur etwas mehr als zwei Jahren. Eine weitere Verzögerung der Verhandlungen bedeutet für Iran weitere Zeit, in der es keinen Handel treiben und kein Erdöl exportieren kann sowie keinen Zugriff auf Auslandsvermögen hat.”
Dem Westen seinerseits gehe es bei den Atom-Gesprächen in erster Linie um politische Anliegen, schreibt der Politologe Esfandyar Batmanghelidj vom Thinktank European Council on Foreign Relations. “Ein erfolgreicher Abschluss der Atomverhandlungen wäre ein starkes Signal, dass die langfristigen Interessen des Irans in einer ausgewogenen Außenpolitik liegen, insbesondere angesichts der seismischen Verschiebungen in der globalen Ordnung.” Da sich auch andere Mächte des Nahen Ostens angesichts der Ukraine-Krise für eine ausgewogene Außenpolitik entschieden, böten sich nun neue Möglichkeiten, um seit langem bestehende Sicherheitsbedenken auf allen Seiten anzusprechen, so Batmanghelidj.
Ähnlich sieht es David Jalilvand. Der Westen wolle vor allem ein atomares Wettrüsten verhindern. Um Handelsbeziehungen hingegen gehe es ihm allenfalls am Rande. “Das Argument, mit seinen Öl- und Gasreserven könnte Iran russisches Öl und Gas in Europa ersetzen, ist zu kurz gedacht. Vor der erneuten Verhängung von US-Sanktionen im Jahr 2018 verzeichnete der Iran eine durchschnittliche Ölproduktion von 3,8 Millionen Barrel Rohöl pro Tag. Dagegen liegt Russland schon bei den bloßen Exporten wesentlich höher, nämlich bei über fünf Millionen Barrel. Das iranische Potenzial, russisches Erdöl im Weltmarkt zu ersetzen, ist also recht gering.”
Auch mit Blick auf Gas-Exporte seien die Möglichkeiten begrenzt. Zum einen gebe es keine Gasleitung von Iran nach Europa. Zum anderen verfüge Iran auch über keine Flüssiggas-Exportterminals und könnte schon darum kurz- bis mittelfristig kein Flüssiggas nach Europa exportieren, sagt Wirtschaftsexperte Jalilvand. “Anders gesagt: Eine Wiederbelebung des Abkommens würde kaum dazu beitragen Europa von russischem Öl und Gas unabhängig zu machen.”
Welche Motive wiederum Moskau bewogen haben, die Wiener Verhandlungen mit der Forderung nach uneingeschränkter Handels- und Technologiekooperation mit dem Iran zu verzögern, bleibt Spekulation. Sollte es der Versuch gewesen sein, das westliche Sanktionsregime gegen Moskau aufzuweichen, ist er gescheitert, sagt Ali Vaez von der International Crisis Group.
Der russisch-iranische Handelsaustausch hatte 2020 dem deutschen Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) zufolge ein Volumen von 2,22 Milliarden US-Dollar erreicht, ein Anstieg von 40 Prozent zum Vorjahr. Allerdings beschränkt sich dieser Handel im Wesentlichen auf landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Kunststoffprodukte und Chemikalien. Umgekehrt beliefert Russland den Iran ebenfalls mit vergleichsweise einfachen Produkten.
“In den für Iran wirklich relevanten Bereichen – den Rüstungs- und der Energiesektoren – hat sich Russland bislang sehr zurückhaltend gezeigt”, sagt David Jalilvand. “Im Energiebereich ist Russland nicht daran interessiert, sich einen Rivalen aufzubauen, indem es Iran jene Technologien liefern würde, mit deren Hilfe das Land seine großen Reserven im Öl- und Gasbereich vollumfänglich ausbeuten könnte. Deswegen wird es hinsichtlich der Tiefe der Handelsbeziehungen zwischen Russland und Iran auch künftig Grenzen geben.”
Trotz des russischen Störmanövers bei den Wiener Verhandlungen zur Wiederinkraftsetzung des Atomdeals mit dem Iran (JCPOA) gab es in der vergangenen Woche erneut mehrfach Signale, dass ein Abschluss kurz bevorstehen könnte. Russland hatte als Bedingung für seine weitere Mitarbeit in den Verhandlungen eine Garantie für seinen freien Handel mit dem Iran verlangt, sobald die USA ihre Sanktionen gegen den Iran – als Teil der in Wien verfolgten Verhandlungslösung – aufgehoben hätten.
Da Russland wegen seiner unverminderten Angriffe auf die Ukraine unter westlichen Wirtschafts- und Handelssanktionen steht, die eher aus- als abgebaut werden, wurde dieses Ansinnen Moskaus abgelehnt, und die Verhandlungen wurden unterbrochen: Aufgrund “externer Faktoren”, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf Twitter mitteilte.
“Garantien” für Russland?
Daraufhin reiste der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian vergangenen Dienstag nach Moskau. “Es wird absolut keine Verbindung zwischen den Entwicklungen in der Ukraine und den Wiener Gesprächen geben”, erklärte er während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau. Dieser wiederum signalisierte, dass Moskau keine neuen Bedingungen stellen wolle: “Wir haben schriftliche Garantien erhalten. Sie sind im Text des Abkommens über die Wiederherstellung des JCPOA enthalten”, erklärte Lawrow. “An allen Projekten und Aktivitäten, die im JCPOA vorgesehen sind, können (russische) Firmen und Spezialisten sich beteiligen.”
Der amerikanische Außenamtssprecher Ned Price stellte dazu klar, dass Washington eine Beteiligung Russlands an nuklearbezogenen Projekten im Rahmen einer wiederhergestellten Atomvereinbarung “natürlich” nicht sanktionieren werde. “Aber darüber hinaus haben wir Russland keine Zusicherungen gegeben und können und werden das nicht tun.”
Wie stark sowohl die westlichen Staaten wie auch der Iran an einem erfolgreichen Abschluss der Gespräche interessiert sind, deutete sich diese Woche auch darin an, dass die iranisch-britische Journalistin Nazanin Zaghari-Ratcliffe, im Iran wegen angeblicher Spionage zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, sowie ein weiterer iranisch-britischer Staatsbürger das Land nun verlassen konnten. Zudem berichte die Nachrichtenagentur Reuters, die USA dächten darüber nach, die Iranischen Revolutionsgarden von ihrer Terrorliste zu streichen, auf die sie die Regierung von Donald Trump 2019 gesetzt hatte.
Die in Wien versammelten Gesprächspartner wünschen aus unterschiedlichen Gründen einen baldigen erfolgreichen Abschluss. Iran wolle die erneuerte Atomvereinbarung vor allem deshalb unter Dach und Fach bringen, weil der JCPOA einen vom UN-Sicherheitsrat garantierten Status nur bis zum Oktober 2025 hat, sagt David Jalilvand, Geschäftsführer des Beratungs-Unternehmens Orient Matters. Dann sitze eventuell ein Republikaner als Nachfolger von Joe Biden im Weißen Haus, und die USA könnten erneut aus dem Atomabkommen aussteigen. “Mit anderen Worten, wir schauen ohnehin auf einen Zeitraum von nur etwas mehr als zwei Jahren. Eine weitere Verzögerung der Verhandlungen bedeutet für Iran weitere Zeit, in der es keinen Handel treiben und kein Erdöl exportieren kann sowie keinen Zugriff auf Auslandsvermögen hat.”
Westen und Iran wollen baldigen Abschluss
Dem Westen seinerseits gehe es bei den Atom-Gesprächen in erster Linie um politische Anliegen, schreibt der Politologe Esfandyar Batmanghelidj vom Thinktank European Council on Foreign Relations. “Ein erfolgreicher Abschluss der Atomverhandlungen wäre ein starkes Signal, dass die langfristigen Interessen des Irans in einer ausgewogenen Außenpolitik liegen, insbesondere angesichts der seismischen Verschiebungen in der globalen Ordnung.” Da sich auch andere Mächte des Nahen Ostens angesichts der Ukraine-Krise für eine ausgewogene Außenpolitik entschieden, böten sich nun neue Möglichkeiten, um seit langem bestehende Sicherheitsbedenken auf allen Seiten anzusprechen, so Batmanghelidj.
Begrenztes Potential für russisch-iranische Kooperation
Ähnlich sieht es David Jalilvand. Der Westen wolle vor allem ein atomares Wettrüsten verhindern. Um Handelsbeziehungen hingegen gehe es ihm allenfalls am Rande. “Das Argument, mit seinen Öl- und Gasreserven könnte Iran russisches Öl und Gas in Europa ersetzen, ist zu kurz gedacht. Vor der erneuten Verhängung von US-Sanktionen im Jahr 2018 verzeichnete der Iran eine durchschnittliche Ölproduktion von 3,8 Millionen Barrel Rohöl pro Tag. Dagegen liegt Russland schon bei den bloßen Exporten wesentlich höher, nämlich bei über fünf Millionen Barrel. Das iranische Potenzial, russisches Erdöl im Weltmarkt zu ersetzen, ist also recht gering.”
Auch mit Blick auf Gas-Exporte seien die Möglichkeiten begrenzt. Zum einen gebe es keine Gasleitung von Iran nach Europa. Zum anderen verfüge Iran auch über keine Flüssiggas-Exportterminals und könnte schon darum kurz- bis mittelfristig kein Flüssiggas nach Europa exportieren, sagt Wirtschaftsexperte Jalilvand. “Anders gesagt: Eine Wiederbelebung des Abkommens würde kaum dazu beitragen Europa von russischem Öl und Gas unabhängig zu machen.”
Welche Motive wiederum Moskau bewogen haben, die Wiener Verhandlungen mit der Forderung nach uneingeschränkter Handels- und Technologiekooperation mit dem Iran zu verzögern, bleibt Spekulation. Sollte es der Versuch gewesen sein, das westliche Sanktionsregime gegen Moskau aufzuweichen, ist er gescheitert, sagt Ali Vaez von der International Crisis Group.
Der russisch-iranische Handelsaustausch hatte 2020 dem deutschen Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) zufolge ein Volumen von 2,22 Milliarden US-Dollar erreicht, ein Anstieg von 40 Prozent zum Vorjahr. Allerdings beschränkt sich dieser Handel im Wesentlichen auf landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Kunststoffprodukte und Chemikalien. Umgekehrt beliefert Russland den Iran ebenfalls mit vergleichsweise einfachen Produkten.
“In den für Iran wirklich relevanten Bereichen – den Rüstungs- und der Energiesektoren – hat sich Russland bislang sehr zurückhaltend gezeigt”, sagt David Jalilvand. “Im Energiebereich ist Russland nicht daran interessiert, sich einen Rivalen aufzubauen, indem es Iran jene Technologien liefern würde, mit deren Hilfe das Land seine großen Reserven im Öl- und Gasbereich vollumfänglich ausbeuten könnte. Deswegen wird es hinsichtlich der Tiefe der Handelsbeziehungen zwischen Russland und Iran auch künftig Grenzen geben.”