Welt

Griechenland: Ukrainische Flüchtlinge bevorzugt

Tausende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine befinden sich in Griechenland. Dort genießen sie internationalen Schutz. Für Migrierende aus anderen Teilen der Welt bleibt die Situation angespannt.

Seit einer Woche ist Sofiia Malinovskaya endlich in Sicherheit. Tagelang hatte sie sich in Charkiw, der stark vom Krieg betroffenen zweitgrößten Stadt der Ukraine, in Kellern versteckt. “Es war viel zu gefährlich, in der Wohnung zu bleiben”, berichtet sie, “andauernd sind russische Flugzeuge über das Haus geflogen, und es wurde geschossen.” Daraufhin habe sie beschlossen, ihr Land zu verlassen. “Ich bin mit einer Freundin ins Auto gestiegen und wir sind einfach losgefahren”, erzählt Malinovskaya der DW.

“Es hat vier Tage gedauert, bis wir es an einen Grenzübergang geschafft haben. Es waren einfach so viele Autos unterwegs. Sieben Stunden haben wir für 170 Kilometer benötigt.” Ausgereist seien sie über die Slowakei, da an der dortigen Grenze nicht ganz so viel los gewesen sei. Freiwillige hätten ihnen geholfen, erst ins polnische Krakau, dann nach Warschau und von dort nach Thessaloniki zu kommen.

Seit einer Woche ist Sofiia Malinovskaya endlich in Sicherheit. Tagelang hatte sie sich in Charkiw, der stark vom Krieg betroffenen zweitgrößten Stadt der Ukraine, in Kellern versteckt. “Es war viel zu gefährlich, in der Wohnung zu bleiben”, berichtet sie, “andauernd sind russische Flugzeuge über das Haus geflogen, und es wurde geschossen.” Daraufhin habe sie beschlossen, ihr Land zu verlassen. “Ich bin mit einer Freundin ins Auto gestiegen und wir sind einfach losgefahren”, erzählt Malinovskaya der DW.

Dass Griechenland seit Jahren für “Pushbacks” und fehlenden Schutz von Asylsuchenden in der Kritik steht, weiß Sofiia Malinovskaya nicht. “Eine Freundin von mir lebt hier und ich konnte bei ihr unterkommen.” Erst vor wenigen Tagen hätten ihre Eltern es aus ihrer Herkunftsstadt, dem umkämpften Mariupol am Asowschen Meer, herausgeschafft.

Guter Flüchtling, schlechter Flüchtling

“Tagelang hatten wir keinen Kontakt”, berichtet Malinovskaya. “Ich wusste nicht, was mit ihnen ist. Es war furchtbar, dass ich in Sicherheit war und meiner Mutter und meinem Vater nicht helfen konnte zu flüchten.” Obwohl sie selbst und ihre Eltern nun in Sicherheit sind, bleibt ein Gefühl der Perspektivlosigkeit: “Ich fühle mich verloren. Mir wird jetzt erst bewusst, dass ich nicht zurück kann. Meine Stadt ist zerstört.”

“Laut der griechischen Polizei haben es bis jetzt (23.03.2022) mehr als 10.000 Flüchtende aus der Ukraine nach Griechenland geschafft”, erklärt Vadym Sabluk, der Generalkonsul der Ukraine in Thessaloniki. “Die griechische Regierung hat sich bereit erklärt, allen Menschen, die auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine nach Griechenland kommen, Schutz zu gewähren.”

Ukrainer, die einen biometrischen Pass haben, könnten sofort einreisen. Für diejenigen, die sich über andere Dokumente, wie die Geburtsurkunde auswiesen, gäbe es am griechisch-bulgarischen Grenzübergang Promachonas ein Kontrollzentrum, wo sie von der Polizei ein Papier bekämen. Damit könnten sie sich bei der nächsten Migrationsbehörde melden und offiziell registrieren.

“Am 28. März wird die griechische Regierung eine Webseite online stellen, auf der man sich registrieren und einen temporären Schutzstatus in Griechenland beantragen kann.” Dieser Status kann bis zu drei Jahren gelten. Sabluk arbeitet seit der russischen Invasion in seiner Heimat ununterbrochen.

Der ukrainische Generalkonsul ist überwältigt von der hohen Bereitschaft der griechischen Behörden, aber auch der Bürgerinnen und Bürger Griechenlands, seinen Landsleuten zu helfen: “Viele Menschen kommen zu mir ins Konsulat und bieten Wohnraum für die Flüchtenden.”

Auch in Griechenland lebende Russinnen und Russen zeigen Solidarität, unterstreicht Sabluk: “Sie kommen zu mir und bitten um Entschuldigung. Sie arbeiten Schulter an Schulter mit den Freiwilligen hier, um uns zu unterstützen.”

Während im Rathaus von Thessaloniki Ukrainer, Russen und Griechen gemeinsam Pakete mit Essen, Kleidung und Medikamenten schnüren, um sie in die Ukraine zu schicken, unternimmt die griechische Polizei auf den Straßen Athens die “Operation Skuba” (“Besen”). Mehr als vierhundert Beamte kontrollieren Asylsuchende auf den Straßen und nehmen sie fest, falls sie sich nicht ausweisen können.

“Ich traue mich gar nicht mehr auf die Straße”, erzählt ein junger Afghane. Das Camp, in dem er lebt, soll im Mai 2022 endgültig schließen. Wo er dann hin soll, weiß er nicht. Sein Asylantrag sei zweimal abgelehnt worden. In seiner Heimatstadt Kabul hatte er als Übersetzer für internationale Medien gearbeitet. Im Falle einer Rückkehr drohen ihm die Taliban dafür mit dem Tod.

Beim Versuch einen neuen Asylantrag zu stellen, ist der Afghane gescheitert. Viele Stunden hatte er versucht, sich – wie vorgeschrieben – über den Messengerdienst Skype zu registrieren. Aber er kam nie durch. Nun muss er auf eigene Kosten an den Evros, ans andere Ende des Landes, um dort in einem geschlossenen Zentrum endlich den Antrag stellen zu können. Sein Vertrauen in die griechischen Behörden ist gering. Er berichtet von Polizeigewalt und mehreren illegalen Abschiebungen beim Versuch, die türkische Grenze nach Griechenland zu überqueren.

Beim Blick auf die Behandlung von Flüchtenden aus der Ukraine und seine eigene Situation, wird er wütend: “Sie sind neu hier und sollten dieselbe Prozedur durchmachen, wie andere Flüchtende auch.” Der Krieg in der Ukraine sei Hauptthema im Camp, erzählt er. Die Situation sei schwer genug. Nun zu sehen, wie andere bevorzugt würden, erzeuge weiteren Frust.

Schon lange prangern Menschenrechtler den Umgang der griechischen Regierung mit Geflüchteten an. Diese beruft sich darauf, dass die Türkei ein sicherer Drittstaat sei, und Menschen somit kein Anrecht auf internationalen Schutz in der EU hätten. In einer Rede im griechischen Parlament bezeichnete Migrationsminister Notis Mitarakis die Flüchtlinge aus der Ukraine als “echte Flüchtlinge”. In den griechischen Medien sprechen führende Politikerinnen und Politiker hingegen mit Blick auf Asylsuchende aus dem Nahen Osten oder Afrika von “illegalen Einwanderern”.

Neda Noraie-Kia, Referentin für Migration und Flucht bei der Heinrich-Böll-Stiftung, verurteilt die Ungleichbehandlung von Flüchtlingen durch die griechische Regierung. Es stehe schlecht um den Flüchtlingsschutz in Griechenland, unterstreicht sie. Illegale Abschiebungen, mangelnde Versorgung und fehlende Integrationsbemühungen – die Liste der Vorwürfe ist lang.

“Es ist wichtig, dass die EU auf dokumentierte Rechtsbrüche reagiert”, sagt Noraie-Kia. Trotzdem sei es wichtig, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auch in Griechenland unbürokratisch Schutz erhielten: “Das zeigt doch, dass Solidarität möglich ist.” Diese müsse man aber auch anderen Schutzsuchenden zukommen lassen. Viele Menschen, beispielsweise aus Afghanistan, würden zu lange auf ein Asylverfahren warten und müssten deshalb oft über Jahre in einer rechtlichen Grauzone verharren.

“Schutz vor Krieg und Verfolgung ist kein Gnadenrecht”, betont Neda Noraie-Kia gegenüber der DW. “Wir als EU sind nicht isoliert in dieser Welt. Wenn autoritäre Systeme ihre Bürgerinnen und Bürger unterdrücken, dann können wir unsere Augen davor nicht verschließen, sondern müssen Verantwortung übernehmen.” Beim Thema Migration auf Abschottung und die Kooperation mit nicht-demokratischen Drittstaaten zu setzen, könne auf Dauer nicht funktionieren.

Griechenland | Sofiia Malinovskaya
Griechenland | Vadym Sabluk, ukrainischer Generalkonsul

Seit einer Woche ist Sofiia Malinovskaya endlich in Sicherheit. Tagelang hatte sie sich in Charkiw, der stark vom Krieg betroffenen zweitgrößten Stadt der Ukraine, in Kellern versteckt. “Es war viel zu gefährlich, in der Wohnung zu bleiben”, berichtet sie, “andauernd sind russische Flugzeuge über das Haus geflogen, und es wurde geschossen.” Daraufhin habe sie beschlossen, ihr Land zu verlassen. “Ich bin mit einer Freundin ins Auto gestiegen und wir sind einfach losgefahren”, erzählt Malinovskaya der DW.

“Es hat vier Tage gedauert, bis wir es an einen Grenzübergang geschafft haben. Es waren einfach so viele Autos unterwegs. Sieben Stunden haben wir für 170 Kilometer benötigt.” Ausgereist seien sie über die Slowakei, da an der dortigen Grenze nicht ganz so viel los gewesen sei. Freiwillige hätten ihnen geholfen, erst ins polnische Krakau, dann nach Warschau und von dort nach Thessaloniki zu kommen.

Guter Flüchtling, schlechter Flüchtling

Dass Griechenland seit Jahren für “Pushbacks” und fehlenden Schutz von Asylsuchenden in der Kritik steht, weiß Sofiia Malinovskaya nicht. “Eine Freundin von mir lebt hier und ich konnte bei ihr unterkommen.” Erst vor wenigen Tagen hätten ihre Eltern es aus ihrer Herkunftsstadt, dem umkämpften Mariupol am Asowschen Meer, herausgeschafft.

“Tagelang hatten wir keinen Kontakt”, berichtet Malinovskaya. “Ich wusste nicht, was mit ihnen ist. Es war furchtbar, dass ich in Sicherheit war und meiner Mutter und meinem Vater nicht helfen konnte zu flüchten.” Obwohl sie selbst und ihre Eltern nun in Sicherheit sind, bleibt ein Gefühl der Perspektivlosigkeit: “Ich fühle mich verloren. Mir wird jetzt erst bewusst, dass ich nicht zurück kann. Meine Stadt ist zerstört.”

“Laut der griechischen Polizei haben es bis jetzt (23.03.2022) mehr als 10.000 Flüchtende aus der Ukraine nach Griechenland geschafft”, erklärt Vadym Sabluk, der Generalkonsul der Ukraine in Thessaloniki. “Die griechische Regierung hat sich bereit erklärt, allen Menschen, die auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine nach Griechenland kommen, Schutz zu gewähren.”

Ukrainer, die einen biometrischen Pass haben, könnten sofort einreisen. Für diejenigen, die sich über andere Dokumente, wie die Geburtsurkunde auswiesen, gäbe es am griechisch-bulgarischen Grenzübergang Promachonas ein Kontrollzentrum, wo sie von der Polizei ein Papier bekämen. Damit könnten sie sich bei der nächsten Migrationsbehörde melden und offiziell registrieren.

Dokumentierte Rechtsbrüche

“Am 28. März wird die griechische Regierung eine Webseite online stellen, auf der man sich registrieren und einen temporären Schutzstatus in Griechenland beantragen kann.” Dieser Status kann bis zu drei Jahren gelten. Sabluk arbeitet seit der russischen Invasion in seiner Heimat ununterbrochen.

Der ukrainische Generalkonsul ist überwältigt von der hohen Bereitschaft der griechischen Behörden, aber auch der Bürgerinnen und Bürger Griechenlands, seinen Landsleuten zu helfen: “Viele Menschen kommen zu mir ins Konsulat und bieten Wohnraum für die Flüchtenden.”

Auch in Griechenland lebende Russinnen und Russen zeigen Solidarität, unterstreicht Sabluk: “Sie kommen zu mir und bitten um Entschuldigung. Sie arbeiten Schulter an Schulter mit den Freiwilligen hier, um uns zu unterstützen.”

Während im Rathaus von Thessaloniki Ukrainer, Russen und Griechen gemeinsam Pakete mit Essen, Kleidung und Medikamenten schnüren, um sie in die Ukraine zu schicken, unternimmt die griechische Polizei auf den Straßen Athens die “Operation Skuba” (“Besen”). Mehr als vierhundert Beamte kontrollieren Asylsuchende auf den Straßen und nehmen sie fest, falls sie sich nicht ausweisen können.

“Ich traue mich gar nicht mehr auf die Straße”, erzählt ein junger Afghane. Das Camp, in dem er lebt, soll im Mai 2022 endgültig schließen. Wo er dann hin soll, weiß er nicht. Sein Asylantrag sei zweimal abgelehnt worden. In seiner Heimatstadt Kabul hatte er als Übersetzer für internationale Medien gearbeitet. Im Falle einer Rückkehr drohen ihm die Taliban dafür mit dem Tod.

Beim Versuch einen neuen Asylantrag zu stellen, ist der Afghane gescheitert. Viele Stunden hatte er versucht, sich – wie vorgeschrieben – über den Messengerdienst Skype zu registrieren. Aber er kam nie durch. Nun muss er auf eigene Kosten an den Evros, ans andere Ende des Landes, um dort in einem geschlossenen Zentrum endlich den Antrag stellen zu können. Sein Vertrauen in die griechischen Behörden ist gering. Er berichtet von Polizeigewalt und mehreren illegalen Abschiebungen beim Versuch, die türkische Grenze nach Griechenland zu überqueren.

Beim Blick auf die Behandlung von Flüchtenden aus der Ukraine und seine eigene Situation, wird er wütend: “Sie sind neu hier und sollten dieselbe Prozedur durchmachen, wie andere Flüchtende auch.” Der Krieg in der Ukraine sei Hauptthema im Camp, erzählt er. Die Situation sei schwer genug. Nun zu sehen, wie andere bevorzugt würden, erzeuge weiteren Frust.

Schon lange prangern Menschenrechtler den Umgang der griechischen Regierung mit Geflüchteten an. Diese beruft sich darauf, dass die Türkei ein sicherer Drittstaat sei, und Menschen somit kein Anrecht auf internationalen Schutz in der EU hätten. In einer Rede im griechischen Parlament bezeichnete Migrationsminister Notis Mitarakis die Flüchtlinge aus der Ukraine als “echte Flüchtlinge”. In den griechischen Medien sprechen führende Politikerinnen und Politiker hingegen mit Blick auf Asylsuchende aus dem Nahen Osten oder Afrika von “illegalen Einwanderern”.

Griechenland, Thessaloniki | Freiwillige schnürren Ukraine Solidaritätspakete

Neda Noraie-Kia, Referentin für Migration und Flucht bei der Heinrich-Böll-Stiftung, verurteilt die Ungleichbehandlung von Flüchtlingen durch die griechische Regierung. Es stehe schlecht um den Flüchtlingsschutz in Griechenland, unterstreicht sie. Illegale Abschiebungen, mangelnde Versorgung und fehlende Integrationsbemühungen – die Liste der Vorwürfe ist lang.

“Es ist wichtig, dass die EU auf dokumentierte Rechtsbrüche reagiert”, sagt Noraie-Kia. Trotzdem sei es wichtig, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auch in Griechenland unbürokratisch Schutz erhielten: “Das zeigt doch, dass Solidarität möglich ist.” Diese müsse man aber auch anderen Schutzsuchenden zukommen lassen. Viele Menschen, beispielsweise aus Afghanistan, würden zu lange auf ein Asylverfahren warten und müssten deshalb oft über Jahre in einer rechtlichen Grauzone verharren.

“Schutz vor Krieg und Verfolgung ist kein Gnadenrecht”, betont Neda Noraie-Kia gegenüber der DW. “Wir als EU sind nicht isoliert in dieser Welt. Wenn autoritäre Systeme ihre Bürgerinnen und Bürger unterdrücken, dann können wir unsere Augen davor nicht verschließen, sondern müssen Verantwortung übernehmen.” Beim Thema Migration auf Abschottung und die Kooperation mit nicht-demokratischen Drittstaaten zu setzen, könne auf Dauer nicht funktionieren.

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