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Truppenabzug in Mali: ein Rückschlag im Anti-Terror-Kampf

Frankreich bekräftigt das Ende für den militärischen Einsatz in Mali – Deutschland zögert noch. Doch die Suche nach einer neuen Basis für den Anti-Terror-Kampf im Sahel gestaltet sich schwierig.

Senegals Präsident Macky Sall hat im Kontext der Debatte um den Abzug internationaler Truppen mehr Solidarität mit den Sahelstaaten gefordert. “Wir sollten uns nichts vormachen”, sagte Sall der DW kurz vor Bekanntwerden der französischen Abzugspläne für Mali: “Wenn in Afrika nicht Frieden und Sicherheit herrschen, werden in der ganzen Welt nicht Frieden und Sicherheit herrschen.”

Afrika werde zunehmend zur “Schwachstelle im internationalen Kampf gegen den Terrorismus”, sagte Sall, der im Februar turnusmäßig den Vorsitz der Afrikanischen Union übernommen hat – und äußerte Zweifel an den Schlüssen der internationalen Gemeinschaft: “Als es um Afghanistan ging, ist es gelungen, eine weltweite Koalition mit mehr als 100.000 Soldaten aufzubauen.” Doch beim Sahel sehe die Sache anders aus: “Wir haben uns seit zehn oder zwölf Jahren beim Sicherheitsrat dafür eingesetzt, dass es eine stärkere Unterstützung, eine Mission mit einem robusteren Mandat gibt. Es gelingt nicht, sie aufzustellen.”

Senegals Präsident Macky Sall hat im Kontext der Debatte um den Abzug internationaler Truppen mehr Solidarität mit den Sahelstaaten gefordert. “Wir sollten uns nichts vormachen”, sagte Sall der DW kurz vor Bekanntwerden der französischen Abzugspläne für Mali: “Wenn in Afrika nicht Frieden und Sicherheit herrschen, werden in der ganzen Welt nicht Frieden und Sicherheit herrschen.”

Stattdessen beginnt die internationale Militärbeteiligung im Sahel auseinanderzubrechen. Erst am Donnerstagmorgen besiegelte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Abstimmung mit europäischen Partnern das Ende der Missionen Barkhane und Takuba: Binnen sechs Monaten werde Frankreich sämtliche Truppen aus Mali abziehen, erklärte Macron. Die Zukunft der UN-Mission MINUSMA und der EU-Ausbildungsmission EUTM (beide unter deutscher Beteiligung) gerät damit weiter ins Wanken.

Truppenabzug statt “robusterem Mandat”

Deutschland drückte “in der Sache und in der Konsequenz” seine Einigkeit mit Frankreich aus, will sich aber “eng mit unseren Partnern abstimmen”, wie Staatsministerin Katja Keul aus dem Auswärtigen Amt erklärte. Auch dort vermisst man weiterhin Signale des Entgegenkommens von der Militärregierung in Bamako.

Auch das westafrikanische Wirtschaftsbündnis ECOWAS, dem der Senegal angehört, hatte Mali nach den Putschen von 2020 und 2021 mit Sanktionen belegt. Präsident Sall betonte indes: “Wir sind solidarisch mit den Entscheidungen der ECOWAS, aber auch mit den Leiden des malischen Volkes.” Eine Zusammenarbeit mit den Übergangsbehörden und die Einigung auf einen “vernünftigen Weg des Übergangs” – das ist laut Sall unerlässlich, damit Mali wieder in die “Gemeinschaft der Nationen” zurückkehren kann.

Auch Amadou Maiga, parlamentarischer Sekretär des Nationalen Übergangsrates (CNT) in Mali, setzt auf eine weitere Zusammenarbeit mit dem langjährigen Partner Deutschland. “Mali muss sich neu erfinden, sich reformieren und natürlich die Instabilität bekämpfen. Deutschland ist lang genug an der Seite Malis, um seinem Bruderland wirklich helfen zu können”, betont Maiga im DW-Interview.

Die Voraussetzungen dafür sind nun erschwert. “Der Abzug der Franzosen und seiner europäischen Partner aus Mali ist ein Rückschlag für die Bundeswehr und die UN-Mission insgesamt”, sagt Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms bei der Konrad-Adenauer-Stifung (KAS). “Die Franzosen als Kampftruppe, als Anti-Terror-Einheit sind nicht zu ersetzen durch die UNO-Einheit, die ein defensives Mandat hat und gar nicht die Mittel hätte, um Terroristen auszuschalten.” Laessing warnt vor einem kurzfristigen Abzug wie aus Afghanistan – dieser werde das Land nur weiter destabilisieren.

Obwohl der Bundeswehreinsatz wenig effizient gewesen sei, gelte: “Ohne die Bundeswehr, ohne die UNO wäre die Sicherheitslage noch viel schlimmer gewesen. Da wäre Mali vielleicht schon jetzt zusammengebrochen.” Nicht zuletzt sind dadurch auch europäische Interessen gefährdet: Im Vergleich zu Afghanistan hätte ein Scheitern des Westens im Sahel viel direktere Auswirkungen auf Deutschland und Europa, so das Fazit einer aktuellen KAS-Studie. Vor allem, weil Unsicherheit und Perspektivlosigkeit die Menschen weiter massiv in die Migration nach Europa drängen würden.

Doch wie kann eine militärische Hilfe im Sahel in Zukunft aussehen? Die “langfristigen Ziele vor Ort” blieben bestehen, betont Staatsministerin Keul: Man wolle “die Sicherheit der Menschen und die Stabilität der Region verbessern”. Auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht betonte am Donnerstag in deutschen Medien, es sei wichtig, im Sahel “weiter den Kampf gegen den Terrorismus zu führen”. Aus Frankreich heißt es bereits, das Zentrum künftiger Militäroperationen im Sahel werde in das Nachbarland Niger verlegt, direkt in das Grenzgebiet zu Burkina Faso.

Zivilgesellschaftliche Organisationen dort zeigten sich im Vorfeld besorgt: Die Aufnahme neuer ausländischer Soldaten könne sich für Nigers Präsident Mohamed Bazoum als gefährlich herausstellen, sagte am Mittwoch Moussa Tchangari, Generalsekretär der Nichtregierungsorganisation Alternative espace citoyens: “Wenn die Regierung dem zustimmt, setzt sie ihr Fortbestehen aufs Spiel zu einem Zeitpunkt, an dem wir in Westafrika eine Rückkehr des Militärs an die Macht beobachten.” Denn auch im Niger wächst der Frust, dass die internationale Präsenz die Sicherheitslage nicht verbessert. So warnte in Nigers Hauptstadt Niamey auch Mahamadou Idder Algabid, Vorsitzender der NGO Agir pour la paix et la sécurité au Sahel: “Solche Truppenverschiebungen könnten Öl ins Feuer gießen und die Atmosphäre, die bereits durch Desinformation vergiftet ist, weiter anheizen.”

Die humanitäre Lage im Krisenland Mali spitzt sich indes weiter zu. Laut dem Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) muss ein Reaktionsplan allein 2022 rund 680 Millionen US-Dollar betragen, um 5,3 Millionen betroffenen Menschen zu helfen. 

Mitarbeit: Mahamadou Kane (Bamako), Abdoulkarim Mahamadou (Niamey), Kossivi Tiassou

Afrika Militär Missionen von Barkhane in Mali
Afrika Militär Missionen von Barkhane in Mali

Senegals Präsident Macky Sall hat im Kontext der Debatte um den Abzug internationaler Truppen mehr Solidarität mit den Sahelstaaten gefordert. “Wir sollten uns nichts vormachen”, sagte Sall der DW kurz vor Bekanntwerden der französischen Abzugspläne für Mali: “Wenn in Afrika nicht Frieden und Sicherheit herrschen, werden in der ganzen Welt nicht Frieden und Sicherheit herrschen.”

Afrika werde zunehmend zur “Schwachstelle im internationalen Kampf gegen den Terrorismus”, sagte Sall, der im Februar turnusmäßig den Vorsitz der Afrikanischen Union übernommen hat – und äußerte Zweifel an den Schlüssen der internationalen Gemeinschaft: “Als es um Afghanistan ging, ist es gelungen, eine weltweite Koalition mit mehr als 100.000 Soldaten aufzubauen.” Doch beim Sahel sehe die Sache anders aus: “Wir haben uns seit zehn oder zwölf Jahren beim Sicherheitsrat dafür eingesetzt, dass es eine stärkere Unterstützung, eine Mission mit einem robusteren Mandat gibt. Es gelingt nicht, sie aufzustellen.”

Truppenabzug statt “robusterem Mandat”

Stattdessen beginnt die internationale Militärbeteiligung im Sahel auseinanderzubrechen. Erst am Donnerstagmorgen besiegelte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Abstimmung mit europäischen Partnern das Ende der Missionen Barkhane und Takuba: Binnen sechs Monaten werde Frankreich sämtliche Truppen aus Mali abziehen, erklärte Macron. Die Zukunft der UN-Mission MINUSMA und der EU-Ausbildungsmission EUTM (beide unter deutscher Beteiligung) gerät damit weiter ins Wanken.

Deutschland drückte “in der Sache und in der Konsequenz” seine Einigkeit mit Frankreich aus, will sich aber “eng mit unseren Partnern abstimmen”, wie Staatsministerin Katja Keul aus dem Auswärtigen Amt erklärte. Auch dort vermisst man weiterhin Signale des Entgegenkommens von der Militärregierung in Bamako.

Auch das westafrikanische Wirtschaftsbündnis ECOWAS, dem der Senegal angehört, hatte Mali nach den Putschen von 2020 und 2021 mit Sanktionen belegt. Präsident Sall betonte indes: “Wir sind solidarisch mit den Entscheidungen der ECOWAS, aber auch mit den Leiden des malischen Volkes.” Eine Zusammenarbeit mit den Übergangsbehörden und die Einigung auf einen “vernünftigen Weg des Übergangs” – das ist laut Sall unerlässlich, damit Mali wieder in die “Gemeinschaft der Nationen” zurückkehren kann.

Auch Amadou Maiga, parlamentarischer Sekretär des Nationalen Übergangsrates (CNT) in Mali, setzt auf eine weitere Zusammenarbeit mit dem langjährigen Partner Deutschland. “Mali muss sich neu erfinden, sich reformieren und natürlich die Instabilität bekämpfen. Deutschland ist lang genug an der Seite Malis, um seinem Bruderland wirklich helfen zu können”, betont Maiga im DW-Interview.

Deutschland als Partner weiter gefragt

Die Voraussetzungen dafür sind nun erschwert. “Der Abzug der Franzosen und seiner europäischen Partner aus Mali ist ein Rückschlag für die Bundeswehr und die UN-Mission insgesamt”, sagt Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms bei der Konrad-Adenauer-Stifung (KAS). “Die Franzosen als Kampftruppe, als Anti-Terror-Einheit sind nicht zu ersetzen durch die UNO-Einheit, die ein defensives Mandat hat und gar nicht die Mittel hätte, um Terroristen auszuschalten.” Laessing warnt vor einem kurzfristigen Abzug wie aus Afghanistan – dieser werde das Land nur weiter destabilisieren.

Nicht alles war schlecht

Obwohl der Bundeswehreinsatz wenig effizient gewesen sei, gelte: “Ohne die Bundeswehr, ohne die UNO wäre die Sicherheitslage noch viel schlimmer gewesen. Da wäre Mali vielleicht schon jetzt zusammengebrochen.” Nicht zuletzt sind dadurch auch europäische Interessen gefährdet: Im Vergleich zu Afghanistan hätte ein Scheitern des Westens im Sahel viel direktere Auswirkungen auf Deutschland und Europa, so das Fazit einer aktuellen KAS-Studie. Vor allem, weil Unsicherheit und Perspektivlosigkeit die Menschen weiter massiv in die Migration nach Europa drängen würden.

Doch wie kann eine militärische Hilfe im Sahel in Zukunft aussehen? Die “langfristigen Ziele vor Ort” blieben bestehen, betont Staatsministerin Keul: Man wolle “die Sicherheit der Menschen und die Stabilität der Region verbessern”. Auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht betonte am Donnerstag in deutschen Medien, es sei wichtig, im Sahel “weiter den Kampf gegen den Terrorismus zu führen”. Aus Frankreich heißt es bereits, das Zentrum künftiger Militäroperationen im Sahel werde in das Nachbarland Niger verlegt, direkt in das Grenzgebiet zu Burkina Faso.

Zivilgesellschaftliche Organisationen dort zeigten sich im Vorfeld besorgt: Die Aufnahme neuer ausländischer Soldaten könne sich für Nigers Präsident Mohamed Bazoum als gefährlich herausstellen, sagte am Mittwoch Moussa Tchangari, Generalsekretär der Nichtregierungsorganisation Alternative espace citoyens: “Wenn die Regierung dem zustimmt, setzt sie ihr Fortbestehen aufs Spiel zu einem Zeitpunkt, an dem wir in Westafrika eine Rückkehr des Militärs an die Macht beobachten.” Denn auch im Niger wächst der Frust, dass die internationale Präsenz die Sicherheitslage nicht verbessert. So warnte in Nigers Hauptstadt Niamey auch Mahamadou Idder Algabid, Vorsitzender der NGO Agir pour la paix et la sécurité au Sahel: “Solche Truppenverschiebungen könnten Öl ins Feuer gießen und die Atmosphäre, die bereits durch Desinformation vergiftet ist, weiter anheizen.”

Zivilgesellschaft im Niger gegen weitere Truppen

Die humanitäre Lage im Krisenland Mali spitzt sich indes weiter zu. Laut dem Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) muss ein Reaktionsplan allein 2022 rund 680 Millionen US-Dollar betragen, um 5,3 Millionen betroffenen Menschen zu helfen. 

Mitarbeit: Mahamadou Kane (Bamako), Abdoulkarim Mahamadou (Niamey), Kossivi Tiassou

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