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Palästinas Presse und das Vermächtnis von Schirin Abu Akleh

“Sie war unser Gesicht”: Palästinensische Journalisten wollen weiter aus Westjordanland berichten. Viele befürchten, dass für den Tod von Abu Akleh niemand zur Rechenschaft gezogen wird. Von Tania Krämer aus Ramallah.

Mehr als drei Wochen sind vergangen. Die schreckliche Nachricht, die Faten Elwan im Morgengrauen des 11. Mai erhielt, wird sie nie vergessen: Ihre Freundin und Kollegin Schirin Abu Akleh war erschossen worden

Abu Akleh, langjährige Korrespondentin für Al Jazeera Arabic, war gemeinsam mit anderen Journalisten unterwegs im Flüchtlingslager in Jenin im besetzen Westjordanland, um über eine der israelischen Militäroperationen dort zu berichten.

Mehr als drei Wochen sind vergangen. Die schreckliche Nachricht, die Faten Elwan im Morgengrauen des 11. Mai erhielt, wird sie nie vergessen: Ihre Freundin und Kollegin Schirin Abu Akleh war erschossen worden

“Wir realisieren eigentlich erst jetzt, was passiert ist. Es ergibt einfach keinen Sinn”, sagt Faten Elwan, die in Ramallah lebt. “Wir rufen noch immer ihr Handy an, wir haben das noch nicht verinnerlicht.”

 “Wir rufen noch immer ihr Handy an”

Elwan hat viele Jahre für den amerikanischen TV-Sender Alhurra als Korrespondentin in den besetzten Gebieten gearbeitet, und war oft gemeinsam mit Abu Akleh unterwegs. “Sie ist nie irgendwo hingegangen, nur um einen Auftrag zu erfüllen, das ist das Besondere an ihr”, sagt Elwan, die noch immer im Präsens spricht.

Die nur wenige Jahre ältere Kollegin nahm Elwan unter ihre Fittiche, als sie als Reporterin anfing. Abu Akleh habe immer den “menschlichen Aspekt” in ihren Geschichten in den Vordergrund gestellt, sagt Elwan.

“Sie hat die Orte respektiert, und hat dafür gesorgt, dass sich die Menschen um sie herum wohlfühlen, wenn sie mit ihr sprechen. Erst dann hat sie mit ihrer Arbeit begonnen.”

Der in Qatar ansässige TV Sender Al Jazeera, für den die US-Palästinenserin über 20 Jahre lang gearbeitet hat, und die palästinensische Autonomiebehörde, die Teile des besetzten Westjordanlands verwaltet, haben das israelische Militär beschuldigt, die bekannte Journalistin absichtlich getötet zu haben. Al Jazeera gab am 26. Mai bekannt, dass es ein Team von Rechtsexperten beauftragt hat, um den Fall vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen.

Die Israeli Defense Force (IDF) hat nicht ausgeschlossen, dass Abu Akleh möglicherweise versehentlich von einem rund 200 Meter enfernt stationierten israelischen Scharfschützen getroffen worden sein könnte. Gleichzeitig sagte das Militär aber auch, das Akleh von unkontrollierten Schusswechseln auf palästinensischer Seite erschossen worden sein könnte.

Augenzeugenberichte von palästinensischen Journalisten und Passanten widersprechen der Behauptung, dass es zum Tatzeitpunkt einen Schusswechsel zwischen militanten Palästinensern und israelischen Soldaten gab.

Zwei Tage nach dem Vorfall veröffentlichte die Armee eine erste vorläufige Untersuchung: Darin hieß es, es sei “noch nicht möglich, die Quelle der Schüsse mit Bestimmtheit festzustellen, die Frau Abu Akleh getroffen und getötet haben”. Die IDF weist auch die Anschuldigung zurück, gezielt auf Journalisten zu schießen.

Der Tod der beliebten und sehr geschätzten palästinensisch-amerikanischen Journalistin, die weit über die Grenzen der palästinensischen Gebiete in der Region bekannt war, hat auch viele Journalisten zutiefst erschüttert.

Eine ganze Generation junger palästinensischer Journalisten ist mit ihrer Berichterstattung großgeworden. Gerne wird ihr Markenzeichen zitiert, der “Sign off” am Ende jeden Beitrags, ruhig und konzentriert, egal wie traurig oder dramatisch der Bericht war.

“Sie war unser Gesicht bei Al Jazeera, und wir haben viel von ihr gelernt. Wir verdanken ihr sehr viel,” sagt Diana Shweiki (20), die im dritten Jahr Medienwissenschaft an der Al-Quds-Universität studiert.

Der Tod von Abu Akleh wirft die Frage auf, wie sicher es für Journalistinnen und Journalisten ist, aus Konfliktregionen zu berichten. “Es gibt keine Sicherheit für Journalisten”, meint Shweiki.

Seit dem Jahr 2000 sind 19 Journalisten in den palästinensischen Gebieten und in Israel während ihrer Arbeit ums Leben gekommen, so die Zahlen des“Committee to Protect Journalists”. Andere Nichtregierungsorganisationen wie “Reporter ohne Grenzen” setzen die Zahl höher.

“Wo immer es einen Konflikt gibt, ist es natürlich gefährlich”, sagt Walid Batrawi, der früher bei Al Jazeera English gearbeitet und sich mit Shirin Abu Akleh ein Büro geteilt hat. Heute arbeitet er als Medientrainer und bereitet palästinensische Journalisten für die Berichterstattung in einem gefährlichen Umfeld vor.

“Die Grundregel für Journalisten ist, sich der Gefahr bewusst zu sein, und alle verfügbaren Vorsichtsmaßnahmen zu treffen”, sagt Batrawi. “Vor allem diejenigen, die für ausländische Medien arbeiten, haben oft die Möglichkeit, ein Training zu erhalten, wie sie sich selbst schützen können, aber natürlich ist man nie 100 Prozent sicher.”

Batrawi kann es noch immer nicht fassen, dass seine frühere Kollegin tot ist – und dass sie bei ihrer Arbeit als Journalistin erschossen wurde. Sie galt als eine der erfahrensten Kolleginnen und war bekannt dafür, alles für die Sicherheit ihres Team zu tun. Abu Akleh und die Gruppe von Journalisten trugen an dem Tag Helme und blaue Schutzwesten mit der Aufschrift “Presse”.

Palästinensische Journalisten würden weiterhin vom Alltag im Konflikt und dem Leben unter einer Militärbesatzung berichten, sagt er. “Nach Shirins Tod”, so Batrawi, “gibt es unter palästinensischen Journalisten den Slogan ‘unsere Berichterstattung geht weiter’. Das ist eine starke Botschaft.”

Die zentrale Frage bleibt, ob die Verantwortlichen für den Tod Abu Aklehs zur Rechenschaft gezogen werden. Die Vereinten Nationen, die USA und europäische Länder haben dazu aufgerufen, eine unabhängige Untersuchung durchzuführen.

Projektion an Hochhäusern bei Nacht
Trauer um Shireen Abu Akleh | Libanon
Jerusalem | Beisetzung Shireen Abu Akleh, Journalistin Al-Jazeera

Mehr als drei Wochen sind vergangen. Die schreckliche Nachricht, die Faten Elwan im Morgengrauen des 11. Mai erhielt, wird sie nie vergessen: Ihre Freundin und Kollegin Schirin Abu Akleh war erschossen worden

Abu Akleh, langjährige Korrespondentin für Al Jazeera Arabic, war gemeinsam mit anderen Journalisten unterwegs im Flüchtlingslager in Jenin im besetzen Westjordanland, um über eine der israelischen Militäroperationen dort zu berichten.

 “Wir rufen noch immer ihr Handy an”

“Wir realisieren eigentlich erst jetzt, was passiert ist. Es ergibt einfach keinen Sinn”, sagt Faten Elwan, die in Ramallah lebt. “Wir rufen noch immer ihr Handy an, wir haben das noch nicht verinnerlicht.”

Elwan hat viele Jahre für den amerikanischen TV-Sender Alhurra als Korrespondentin in den besetzten Gebieten gearbeitet, und war oft gemeinsam mit Abu Akleh unterwegs. “Sie ist nie irgendwo hingegangen, nur um einen Auftrag zu erfüllen, das ist das Besondere an ihr”, sagt Elwan, die noch immer im Präsens spricht.

Die nur wenige Jahre ältere Kollegin nahm Elwan unter ihre Fittiche, als sie als Reporterin anfing. Abu Akleh habe immer den “menschlichen Aspekt” in ihren Geschichten in den Vordergrund gestellt, sagt Elwan.

“Sie hat die Orte respektiert, und hat dafür gesorgt, dass sich die Menschen um sie herum wohlfühlen, wenn sie mit ihr sprechen. Erst dann hat sie mit ihrer Arbeit begonnen.”

Streit über die Umstände geht weiter

Der in Qatar ansässige TV Sender Al Jazeera, für den die US-Palästinenserin über 20 Jahre lang gearbeitet hat, und die palästinensische Autonomiebehörde, die Teile des besetzten Westjordanlands verwaltet, haben das israelische Militär beschuldigt, die bekannte Journalistin absichtlich getötet zu haben. Al Jazeera gab am 26. Mai bekannt, dass es ein Team von Rechtsexperten beauftragt hat, um den Fall vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen.

“Sie war unser Gesicht bei Al Jazeera”

Die Israeli Defense Force (IDF) hat nicht ausgeschlossen, dass Abu Akleh möglicherweise versehentlich von einem rund 200 Meter enfernt stationierten israelischen Scharfschützen getroffen worden sein könnte. Gleichzeitig sagte das Militär aber auch, das Akleh von unkontrollierten Schusswechseln auf palästinensischer Seite erschossen worden sein könnte.

Augenzeugenberichte von palästinensischen Journalisten und Passanten widersprechen der Behauptung, dass es zum Tatzeitpunkt einen Schusswechsel zwischen militanten Palästinensern und israelischen Soldaten gab.

Zwei Tage nach dem Vorfall veröffentlichte die Armee eine erste vorläufige Untersuchung: Darin hieß es, es sei “noch nicht möglich, die Quelle der Schüsse mit Bestimmtheit festzustellen, die Frau Abu Akleh getroffen und getötet haben”. Die IDF weist auch die Anschuldigung zurück, gezielt auf Journalisten zu schießen.

Rufe nach unabhängiger Untersuchung

Der Tod der beliebten und sehr geschätzten palästinensisch-amerikanischen Journalistin, die weit über die Grenzen der palästinensischen Gebiete in der Region bekannt war, hat auch viele Journalisten zutiefst erschüttert.

Eine ganze Generation junger palästinensischer Journalisten ist mit ihrer Berichterstattung großgeworden. Gerne wird ihr Markenzeichen zitiert, der “Sign off” am Ende jeden Beitrags, ruhig und konzentriert, egal wie traurig oder dramatisch der Bericht war.

“Genug Schmerzen im Herz”

“Sie war unser Gesicht bei Al Jazeera, und wir haben viel von ihr gelernt. Wir verdanken ihr sehr viel,” sagt Diana Shweiki (20), die im dritten Jahr Medienwissenschaft an der Al-Quds-Universität studiert.

Der Tod von Abu Akleh wirft die Frage auf, wie sicher es für Journalistinnen und Journalisten ist, aus Konfliktregionen zu berichten. “Es gibt keine Sicherheit für Journalisten”, meint Shweiki.

Seit dem Jahr 2000 sind 19 Journalisten in den palästinensischen Gebieten und in Israel während ihrer Arbeit ums Leben gekommen, so die Zahlen des“Committee to Protect Journalists”. Andere Nichtregierungsorganisationen wie “Reporter ohne Grenzen” setzen die Zahl höher.

“Wo immer es einen Konflikt gibt, ist es natürlich gefährlich”, sagt Walid Batrawi, der früher bei Al Jazeera English gearbeitet und sich mit Shirin Abu Akleh ein Büro geteilt hat. Heute arbeitet er als Medientrainer und bereitet palästinensische Journalisten für die Berichterstattung in einem gefährlichen Umfeld vor.

“Die Grundregel für Journalisten ist, sich der Gefahr bewusst zu sein, und alle verfügbaren Vorsichtsmaßnahmen zu treffen”, sagt Batrawi. “Vor allem diejenigen, die für ausländische Medien arbeiten, haben oft die Möglichkeit, ein Training zu erhalten, wie sie sich selbst schützen können, aber natürlich ist man nie 100 Prozent sicher.”

Batrawi kann es noch immer nicht fassen, dass seine frühere Kollegin tot ist – und dass sie bei ihrer Arbeit als Journalistin erschossen wurde. Sie galt als eine der erfahrensten Kolleginnen und war bekannt dafür, alles für die Sicherheit ihres Team zu tun. Abu Akleh und die Gruppe von Journalisten trugen an dem Tag Helme und blaue Schutzwesten mit der Aufschrift “Presse”.

Palästinensische Journalisten würden weiterhin vom Alltag im Konflikt und dem Leben unter einer Militärbesatzung berichten, sagt er. “Nach Shirins Tod”, so Batrawi, “gibt es unter palästinensischen Journalisten den Slogan ‘unsere Berichterstattung geht weiter’. Das ist eine starke Botschaft.”

Die zentrale Frage bleibt, ob die Verantwortlichen für den Tod Abu Aklehs zur Rechenschaft gezogen werden. Die Vereinten Nationen, die USA und europäische Länder haben dazu aufgerufen, eine unabhängige Untersuchung durchzuführen.

Mehrere Medien, darunter der US-Fernsehsender CNN, die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und das Investigativnetzwerk Bellingcat, haben ihre eigenen Recherchen und Analysen zu dem Fall veröffentlicht.

Dazu gehören Augenzeugenberichte, die Analyse von Schussgeräuschen, Video-Material und forensische Expertenanalysen. Sie deuten darauf hin, das Abu Akleh von israelischen Soldaten erschossen worden sei, so die bisherigen Rechercheergebnisse.

Dazu gehören Augenzeugenberichte, die Analyse von Schussgeräuschen, Video-Material und forensische Expertenanalysen. Sie deuten darauf hin, das Abu Akleh von israelischen Soldaten erschossen worden sei, so die bisherigen Rechercheergebnisse.

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