Flüchtlinge aus der Ukraine: Manche wollen zurück
Viele der 900.000 Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland wollen in ihre Heimat zurückzukehren. Aber es gibt auch Menschen, die bleiben wollen. Die DW hat mit zwei Familien in Köln gesprochen.
“Erst haben wir gezögert, aber dann haben wir begriffen, dass es zu gefährlich ist, in der Ukraine zu bleiben”, sagt Anastasia. Die Lage in der Stadt Sumy im Osten der Ukraine habe sich mit jedem Tag verschlimmert, erinnert sie sich. Fast drei Wochen nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine musste die 26-Jährige daher zusammen mit ihrer Mutter und ihren zwei jüngeren Brüdern, dem fünfjährigen Makar und dem 14-jährigen Artjom, fliehen. Die Flucht war riskant, da das russische Militär auch Evakuierungs-Kolonnen beschoss.
Anastasias 24 Jahre alter Freund und ihr Vater (50 Jahre) haben Anastasia, ihre Brüder und die Mutter damals zum Bus gebracht. Die beiden Männer blieben zurück, um in der Ukraine zu kämpfen. “Der Abschied war herzzerreißend”, erinnert sich Anastasia. Zwei Tage fuhren sie bis zur polnischen Grenze– auf ihren Taschen sitzend im Gang des Busses. Dann ging es weiter nach Berlin und von dort nach Köln. Es war damals die noch einzige mögliche Busverbindung mitten in der Nacht. Angekommen in Köln kamen sie in einem Hotel unter, das als Flüchtlingsunterkunft dient. Heute leben darin über 100 Menschen aus der Ukraine.
“Erst haben wir gezögert, aber dann haben wir begriffen, dass es zu gefährlich ist, in der Ukraine zu bleiben”, sagt Anastasia. Die Lage in der Stadt Sumy im Osten der Ukraine habe sich mit jedem Tag verschlimmert, erinnert sie sich. Fast drei Wochen nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine musste die 26-Jährige daher zusammen mit ihrer Mutter und ihren zwei jüngeren Brüdern, dem fünfjährigen Makar und dem 14-jährigen Artjom, fliehen. Die Flucht war riskant, da das russische Militär auch Evakuierungs-Kolonnen beschoss.
Anastasia erzählt, dass viele in der Unterkunft in Köln so schnell wie möglich zurück in ihre Heimat wollen. “Erst dachten wir, im Mai geht es zurück, jetzt hoffen wir auf den Herbst. Alles wird von der Lage abhängen”, sagt sie. “Ehrlich gesagt haben wir Angst, in Sumy auf einem Pulverfass zu sitzen, denn dort kann jederzeit irgendwo in der Stadt eine Rakete einschlagen. Aber wir würden gerne so schnell wie möglich zurückkehren”, sagt sie.
Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat
Jeden Tag machen sie und ihre Mutter sich Sorgen. Denn auch wenn sie telefonisch Kontakt zu ihrem Vater hält, weiß sie nie wo er sich gerade befindet – aus Sicherheitsgründen sagt er ihnen nie, wo er sich aufhält. “Mit dieser Ungewissheit zu leben, nicht zu wissen, was mit meinem Vater und meinem Freund geschieht, das ist sehr schwierig. Meine Mutter und ich haben deswegen schon viele Tränen vergossen”, gesteht die junge Frau.
Anastasia und ihre Familie sind Deutschland dankbar, dass der Staat ihnen Schutz bietet und sich um Hunderttausende Ukrainer kümmert. “Diese Dankbarkeit werden wir für den Rest unseres Lebens in unseren Herzen tragen”, betont sie. Trotzdem würden sich viele in Deutschland fremd fühlen – vor allem, weil sie kein Deutsch sprechen können. “Flüchtlingsforen in sozialen Netzwerken sind unsere Rettung. Dort werden nützliche Informationen geteilt, ohne die wir viele Probleme nicht hätten lösen können”, sagt sie.
Sozialarbeiter und Freiwillige könnten den Menschen im Hotel nicht immer helfen. Manchmal würden selbst sie die Formulierungen in den Fragebögen nicht verstehen, die Geflüchtete ausfüllen müssen. “Mit Mühe haben wir es geschafft, uns anzumelden und Leistungen zu beantragen, von denen wir unsere Unterkunft und Verpflegung im Hotel bezahlen”, erzählt Anastasia. “Wir versuchen erst gar nicht, eine Wohnung zu suchen. Das ist sehr schwierig in Köln. Zumal wir nicht vorhaben, längere Zeit in Deutschland zu bleiben”, so die junge Frau.
Anders sieht es bei Anna und Alexandra aus. Die beiden sind seit drei Jahren ein Paar. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatten sie Angst, in Odessa zu bleiben, und kamen Mitte März in Deutschland an. “Die Vorstellung war schrecklich, bei uns könnten russische Gesetze herrschen, wonach gleichgeschlechtliche Beziehungen verboten sind”, erzählt Alexandra.
“Am 24. Februar wurde mir und meiner Freundin klar, dass wir – wie man sagt – zur doppelten Zielscheibe werden könnten”, erinnert sie sich. Sie seien Ukrainerinnen und führten eine gleichgeschlechtliche Beziehung. Vor allem befürchteten die jungen Frauen, irgendwann nicht gar mehr fliehen zu können.
Anna und Alexandra verließen Odessa und nahmen ihre Katze mit, wohlwissend, dass dies im Ausland zusätzliche Probleme bereiten könnte. “Freiwillige Helfer in Prag haben uns dann geraten, nach Deutschland zu gehen, weil dort die Chancen besser stünden, mit einer Katze unterzukommen”, sagt Anna. “Wir waren angenehm überrascht, als wir erfuhren, dass Haustiere dort problemlos mitgebracht werden können.”
Nach ihrer Ankunft in Köln haben sich die zwei eine vorübergehende Unterkunft gesucht. “Wir haben uns von Angeboten in Internetforen leiten lassen. So haben wir die erste Familie gefunden, die uns zunächst auf unbestimmte Zeit mit einer Katze aufgenommen hat”, so Alex. Nachdem sie sich bei den deutschen Behörden registriert hatten und nun Leistungen beziehen, haben sie sich dann auf Wohnungssuche begeben. Doch dies sei in Köln ein schwieriges Unterfangen, sagen auch sie.
Ein Problem sei auch, dass es in Internetforen viele Betrüger gebe, die Anzeigen auf Russisch und Englisch schalteten und vorab Geld überwiesen bekommen wollen für eine mögliche Wohnungsvermittlung. “Schon nach der ersten Überweisung verschwinden die sogenannten Vermittler meist”, warnt Alex.
Doch Anfang Juli hatten sie Glück. Der Besitzer einer Wohnung war bereit, zwei Wochen zu warten, bis die Bundesagentur für Arbeit das Mieten der Wohnung genehmigte. “Während wir auf die Antwort gewartet haben, haben wir schlecht geschlafen, waren daher immer müde und auch besorgt. Schließlich kam der Anruf von der Behörde und die schriftliche Zusage zur Bezahlung der Miete für eine Einzimmerwohnung in Köln. “Wir waren im siebten Himmel”, sagen die beiden Frauen.
In Odessa hat Anna in einen Nagelstudio gearbeitet und Psychologie studiert. Alexandra hat als Barkeeperin gearbeitet. Ab Mitte August werden sie Integrationskurse besuchen, um die deutsche Sprache zu lernen. Die jungen Frauen hoffen, dass sie danach studieren, arbeiten und finanziell unabhängig werden können. Zurück in die Ukraine wollen sie nicht mehr. Da sind sie sich sicher.
“Ich kann mir ein Leben in Odessa nicht mehr vorstellen, nachdem ich gesehen habe, wie LGBTQI-Menschen in Köln leben. Anfang Juli waren wir zum ersten Mal im Leben ohne Angst auf einer CSD-Parade“, sagt Alexandra. In Odessa hätten die Teilnehmer sich gefürchtet, die Polizeiabsperrungen zu verlassen, aus Angst, von Homophoben geschlagen zu werden. “Ich wurde schon oft mit Gewalt konfrontiert, aber hier in Köln leben wir frei, halten Händchen und können uns überall als Paar vorstellen. Das ist eine unschätzbare Lebensqualität, die wir in unserer Heimat so nicht hatten”, betont Alex.
Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk
“Erst haben wir gezögert, aber dann haben wir begriffen, dass es zu gefährlich ist, in der Ukraine zu bleiben”, sagt Anastasia. Die Lage in der Stadt Sumy im Osten der Ukraine habe sich mit jedem Tag verschlimmert, erinnert sie sich. Fast drei Wochen nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine musste die 26-Jährige daher zusammen mit ihrer Mutter und ihren zwei jüngeren Brüdern, dem fünfjährigen Makar und dem 14-jährigen Artjom, fliehen. Die Flucht war riskant, da das russische Militär auch Evakuierungs-Kolonnen beschoss.
Anastasias 24 Jahre alter Freund und ihr Vater (50 Jahre) haben Anastasia, ihre Brüder und die Mutter damals zum Bus gebracht. Die beiden Männer blieben zurück, um in der Ukraine zu kämpfen. “Der Abschied war herzzerreißend”, erinnert sich Anastasia. Zwei Tage fuhren sie bis zur polnischen Grenze– auf ihren Taschen sitzend im Gang des Busses. Dann ging es weiter nach Berlin und von dort nach Köln. Es war damals die noch einzige mögliche Busverbindung mitten in der Nacht. Angekommen in Köln kamen sie in einem Hotel unter, das als Flüchtlingsunterkunft dient. Heute leben darin über 100 Menschen aus der Ukraine.
Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat
Anastasia erzählt, dass viele in der Unterkunft in Köln so schnell wie möglich zurück in ihre Heimat wollen. “Erst dachten wir, im Mai geht es zurück, jetzt hoffen wir auf den Herbst. Alles wird von der Lage abhängen”, sagt sie. “Ehrlich gesagt haben wir Angst, in Sumy auf einem Pulverfass zu sitzen, denn dort kann jederzeit irgendwo in der Stadt eine Rakete einschlagen. Aber wir würden gerne so schnell wie möglich zurückkehren”, sagt sie.
Jeden Tag machen sie und ihre Mutter sich Sorgen. Denn auch wenn sie telefonisch Kontakt zu ihrem Vater hält, weiß sie nie wo er sich gerade befindet – aus Sicherheitsgründen sagt er ihnen nie, wo er sich aufhält. “Mit dieser Ungewissheit zu leben, nicht zu wissen, was mit meinem Vater und meinem Freund geschieht, das ist sehr schwierig. Meine Mutter und ich haben deswegen schon viele Tränen vergossen”, gesteht die junge Frau.
Anastasia und ihre Familie sind Deutschland dankbar, dass der Staat ihnen Schutz bietet und sich um Hunderttausende Ukrainer kümmert. “Diese Dankbarkeit werden wir für den Rest unseres Lebens in unseren Herzen tragen”, betont sie. Trotzdem würden sich viele in Deutschland fremd fühlen – vor allem, weil sie kein Deutsch sprechen können. “Flüchtlingsforen in sozialen Netzwerken sind unsere Rettung. Dort werden nützliche Informationen geteilt, ohne die wir viele Probleme nicht hätten lösen können”, sagt sie.
Sozialarbeiter und Freiwillige könnten den Menschen im Hotel nicht immer helfen. Manchmal würden selbst sie die Formulierungen in den Fragebögen nicht verstehen, die Geflüchtete ausfüllen müssen. “Mit Mühe haben wir es geschafft, uns anzumelden und Leistungen zu beantragen, von denen wir unsere Unterkunft und Verpflegung im Hotel bezahlen”, erzählt Anastasia. “Wir versuchen erst gar nicht, eine Wohnung zu suchen. Das ist sehr schwierig in Köln. Zumal wir nicht vorhaben, längere Zeit in Deutschland zu bleiben”, so die junge Frau.
Schwieriges Einleben in der Ferne
Anders sieht es bei Anna und Alexandra aus. Die beiden sind seit drei Jahren ein Paar. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatten sie Angst, in Odessa zu bleiben, und kamen Mitte März in Deutschland an. “Die Vorstellung war schrecklich, bei uns könnten russische Gesetze herrschen, wonach gleichgeschlechtliche Beziehungen verboten sind”, erzählt Alexandra.
Rechtzeitige Flucht aus Odessa
“Am 24. Februar wurde mir und meiner Freundin klar, dass wir – wie man sagt – zur doppelten Zielscheibe werden könnten”, erinnert sie sich. Sie seien Ukrainerinnen und führten eine gleichgeschlechtliche Beziehung. Vor allem befürchteten die jungen Frauen, irgendwann nicht gar mehr fliehen zu können.
Anna und Alexandra verließen Odessa und nahmen ihre Katze mit, wohlwissend, dass dies im Ausland zusätzliche Probleme bereiten könnte. “Freiwillige Helfer in Prag haben uns dann geraten, nach Deutschland zu gehen, weil dort die Chancen besser stünden, mit einer Katze unterzukommen”, sagt Anna. “Wir waren angenehm überrascht, als wir erfuhren, dass Haustiere dort problemlos mitgebracht werden können.”
Nach ihrer Ankunft in Köln haben sich die zwei eine vorübergehende Unterkunft gesucht. “Wir haben uns von Angeboten in Internetforen leiten lassen. So haben wir die erste Familie gefunden, die uns zunächst auf unbestimmte Zeit mit einer Katze aufgenommen hat”, so Alex. Nachdem sie sich bei den deutschen Behörden registriert hatten und nun Leistungen beziehen, haben sie sich dann auf Wohnungssuche begeben. Doch dies sei in Köln ein schwieriges Unterfangen, sagen auch sie.
Schwierige Wohnungssuche in Köln
Ein Problem sei auch, dass es in Internetforen viele Betrüger gebe, die Anzeigen auf Russisch und Englisch schalteten und vorab Geld überwiesen bekommen wollen für eine mögliche Wohnungsvermittlung. “Schon nach der ersten Überweisung verschwinden die sogenannten Vermittler meist”, warnt Alex.
Doch Anfang Juli hatten sie Glück. Der Besitzer einer Wohnung war bereit, zwei Wochen zu warten, bis die Bundesagentur für Arbeit das Mieten der Wohnung genehmigte. “Während wir auf die Antwort gewartet haben, haben wir schlecht geschlafen, waren daher immer müde und auch besorgt. Schließlich kam der Anruf von der Behörde und die schriftliche Zusage zur Bezahlung der Miete für eine Einzimmerwohnung in Köln. “Wir waren im siebten Himmel”, sagen die beiden Frauen.
Deutschland als neue Heimat
In Odessa hat Anna in einen Nagelstudio gearbeitet und Psychologie studiert. Alexandra hat als Barkeeperin gearbeitet. Ab Mitte August werden sie Integrationskurse besuchen, um die deutsche Sprache zu lernen. Die jungen Frauen hoffen, dass sie danach studieren, arbeiten und finanziell unabhängig werden können. Zurück in die Ukraine wollen sie nicht mehr. Da sind sie sich sicher.
“Ich kann mir ein Leben in Odessa nicht mehr vorstellen, nachdem ich gesehen habe, wie LGBTQI-Menschen in Köln leben. Anfang Juli waren wir zum ersten Mal im Leben ohne Angst auf einer CSD-Parade“, sagt Alexandra. In Odessa hätten die Teilnehmer sich gefürchtet, die Polizeiabsperrungen zu verlassen, aus Angst, von Homophoben geschlagen zu werden. “Ich wurde schon oft mit Gewalt konfrontiert, aber hier in Köln leben wir frei, halten Händchen und können uns überall als Paar vorstellen. Das ist eine unschätzbare Lebensqualität, die wir in unserer Heimat so nicht hatten”, betont Alex.
Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk