Wirtschaft

Juicyfields: Großer Betrugsfall mit Cannabis

Bei einem Cannabis-Investment haben Tausende Anleger keinen Zugang mehr zu ihren Konten. Wer steckt dahinter, wie groß ist der Schaden? In einer Podcast-Serie arbeitet die DW den Krimi um “Juicyfields” auf.

Noch sind die Dimensionen unklar, einige Schätzungen beziffern den Schaden auf einige Millionen, andere auf mehrere Milliarden Euro – so viel Geld könnten Kleinanleger rund um den Globus in ein windiges Angebot mit Cannabis-Pflanzen gesteckt haben. 

Die Firma mit dem Namen Juicyfields bot seit 2020 sogenanntes “E-Growing” an. Bei Juicyfields konnten sich Investoren an Anbau, Ernte und Verkauf von medizinischen Cannabis-Pflanzen beteiligen. Die Renditen beliefen sich dabei auf deutlich über 100 Prozent im Jahr. 

Noch sind die Dimensionen unklar, einige Schätzungen beziffern den Schaden auf einige Millionen, andere auf mehrere Milliarden Euro – so viel Geld könnten Kleinanleger rund um den Globus in ein windiges Angebot mit Cannabis-Pflanzen gesteckt haben. 

“Die Menschen sind es einfach nicht mehr gewöhnt, gute Gewinne zu machen”, verteidigte sich noch Anfang März der damalige Unternehmenssprecher und “Innovationsbeauftragte” von Juicyfields, Daniel Gauci, auf DW-Fragen nach dem Geschäftsmodell. Wie die Firma solche Renditen erwirtschaften könne, dazu wollte er sich nicht äußern.  

Juicyfields versprach gigantische Renditen

Eine Online-Plattform war das wichtigste Instrument der Firma. Dort konnten Nutzer Pflanzen kaufen, verkaufen, in virtuellen Gewächshäusern verwalten und sich ihr Geld auszahlen lassen. Ob die Pflanzen jemals existierten, ist nach den aktuellen Geschehnissen unklar.  

Denn seit Mitte Juli können sich Nutzer nicht mehr auf der Plattform einloggen. Kurz darauf verschwanden auch die Inhalte der Firma auf den Social-Media-Plattformen. Seitdem deutet sich an, was Branchenkenner schon lange geahnt haben: Juicyfields ist Betrug. Das Geld der Anleger ist weg. 

500.000 Nutzer sollen laut Aussagen von Juicyfields auf der Plattform registriert gewesen sein. Diese kommen aus Europa, Asien, Afrika und auch Lateinamerika. Die Mindestgrenze eines Investments in das virtuelle Cannabis lag bei 50 Euro, die Obergrenze theoretisch bei 180.000 Euro. Das Geld konnte per Banküberweisung oder über Kryptowährungen wie Bitcoin ein- und ausgezahlt werden.  

Die Auszahlungen der Gewinne liefen dabei lange reibungslos, wie Investoren der DW immer wieder versicherten. Viele Kleininvestoren prahlten mit ihren Renditen und pumpten dann häufig noch mehr Geld in das Unternehmen. Manche nahmen sogar Kredite auf. Juicyfields setzte auf Social Marketing, engagierte Influencer, war omnipräsent auf Messen und steckte viel Geld in Werbung.  

In Foren wird spekuliert, ob der Fall Juicyfields ähnlich groß werden könnte wie der Betrug mit der Kryptowährung OneCoin – initiiert von Ruja Ignatova. Die “Kryptoqueen” wurde kürzlich von der US-Bundespolizei FBI auf die Liste der meistgesuchten Personen gesetzt. Auf vier Milliarden Dollar soll sich der Schaden durch OneCoin belaufen. 

Doch über die Dimensionen des Betrugs bei Juicyfields kann bisher nur spekuliert werden. Die Schätzungen schwanken zwischen einer zweistelligen Millionenhöhe bis hin zu Beträgen, die in die Milliarden gehen. So behauptet laut Medienberichten eine spanische Anwaltskanzlei, die Kleinanleger vertritt, dass über die digitalen “Wallets” – also die Krypto-Konten von Juicyfields – mehr als neun Milliarden geflossen sein sollen.  

Ähnlich wie im Fall OneCoin zeichnet sich ab, dass auch Juicyfields zumindest in Teilen auf ein Schneeballsystem gesetzt hat. Dabei werden Einzahlungen von Neukunden für anfallende Auszahlungen verwendet. Auch Teile des sogenannten Multi-Level-Marketings kamen zum Einsatz. Investoren bekommen dabei Prämien, wenn sie andere vom Produkt überzeugen können. Offenbar vermuteten viele Menschen im Cannabis-Bereich besonders hohe Gewinnmargen.  

Die Branche gilt als Wachstumsindustrie, seit Cannabis in vielen Ländern als Medizinprodukt zugelassen wurde. In Kanada und einigen US-Bundesstaaten ist die Droge sogar für den Freizeitkonsum legal. Auch die deutsche Bundesregierung plant eine komplette Legalisierung. 

In Europa hat die spanische Aufsichtsbehörde schon früh vor Juicyfields gewarnt. Die deutsche Aufsichtsbehörde Bafin hat im März dieses Jahres das erste Mal auf Unstimmigkeiten hingewiesen. Im Juni hat sie Juicyfields verboten, weitere Cannabis-Pflanzen auf ihrer Plattform in Deutschland zu verkaufen. Dem ist das Unternehmen nicht nachgekommen. So konnte das DW-Rechercheteam auch nach dem Verbot noch eine virtuelle Pflanze erwerben. 

Nun zeichnet sich ab, dass die Anleger ihr Geld wohl nicht wiedersehen. Entsprechend gereizt ist die Stimmung in den zahlreichen Gruppen des Messengerdienstes Telegram, in denen sie sich organisieren. Im Internet kursieren mehrere Versionen der Geschehnisse: Die am häufigsten verbreitete ist die von russischen Hintermännern, die von Anfang an einen Betrug geplant haben sollen. In einer weiteren Version werden Teile der Führungsriege verdächtigt, mit dem Geld durchgebrannt zu sein.  

Auch der Name einer Firma mit Sitz in Berlin fällt immer wieder. Diese unterhält gute Verbindungen in die Schweiz, nach Liechtenstein und in die Niederlande. Auch Juicyfields hat in Berlin angefangen. Es waren wohl Ermittlungen des Landeskriminalamts und der zunehmende Druck der Finanzaufsicht, die dazu führten, dass die Firma ihren Sitz um den Jahreswechsel dann in die Niederlande verlegte.  

Die DW hat den Aufstieg der zweifelhaften Firma ein halbes Jahr lang begleitet. In dem investigativen, mehrteiligen, englisch-sprachigen Podcast “Cannabis-Cowboys – a story about big dreams, juicy money, and a never-ending hype” erzählen DW-Reporter die Geschichte der Firma. 

Es geht um Gier, Geldwäsche und Geheimdienste und den ewigen Traum vom schnellen Reichtum. Die Suche führt sie auf Cannabis-Plantagen, exzessive Partys in Luxushotels und zu einem Schloss in der Schweiz. Die erste Folge finden Sie ab Mitte August hier und überall, wo es Podcasts gibt. 

(bea, nm)

Dieser Artikel erschien am 21.07.2022 und wird fortlaufend aktualisiert

Lamborghinis auf einem Messeparkplatz in Barcelona
 Juicy Fields | Daniel Gaucci, Thomas Stieger

Noch sind die Dimensionen unklar, einige Schätzungen beziffern den Schaden auf einige Millionen, andere auf mehrere Milliarden Euro – so viel Geld könnten Kleinanleger rund um den Globus in ein windiges Angebot mit Cannabis-Pflanzen gesteckt haben. 

Die Firma mit dem Namen Juicyfields bot seit 2020 sogenanntes “E-Growing” an. Bei Juicyfields konnten sich Investoren an Anbau, Ernte und Verkauf von medizinischen Cannabis-Pflanzen beteiligen. Die Renditen beliefen sich dabei auf deutlich über 100 Prozent im Jahr. 

Juicyfields versprach gigantische Renditen

“Die Menschen sind es einfach nicht mehr gewöhnt, gute Gewinne zu machen”, verteidigte sich noch Anfang März der damalige Unternehmenssprecher und “Innovationsbeauftragte” von Juicyfields, Daniel Gauci, auf DW-Fragen nach dem Geschäftsmodell. Wie die Firma solche Renditen erwirtschaften könne, dazu wollte er sich nicht äußern.  

Eine Online-Plattform war das wichtigste Instrument der Firma. Dort konnten Nutzer Pflanzen kaufen, verkaufen, in virtuellen Gewächshäusern verwalten und sich ihr Geld auszahlen lassen. Ob die Pflanzen jemals existierten, ist nach den aktuellen Geschehnissen unklar.  

Denn seit Mitte Juli können sich Nutzer nicht mehr auf der Plattform einloggen. Kurz darauf verschwanden auch die Inhalte der Firma auf den Social-Media-Plattformen. Seitdem deutet sich an, was Branchenkenner schon lange geahnt haben: Juicyfields ist Betrug. Das Geld der Anleger ist weg. 

500.000 Nutzer sollen laut Aussagen von Juicyfields auf der Plattform registriert gewesen sein. Diese kommen aus Europa, Asien, Afrika und auch Lateinamerika. Die Mindestgrenze eines Investments in das virtuelle Cannabis lag bei 50 Euro, die Obergrenze theoretisch bei 180.000 Euro. Das Geld konnte per Banküberweisung oder über Kryptowährungen wie Bitcoin ein- und ausgezahlt werden.  

Der nächste große Exit Scam?  

Die Auszahlungen der Gewinne liefen dabei lange reibungslos, wie Investoren der DW immer wieder versicherten. Viele Kleininvestoren prahlten mit ihren Renditen und pumpten dann häufig noch mehr Geld in das Unternehmen. Manche nahmen sogar Kredite auf. Juicyfields setzte auf Social Marketing, engagierte Influencer, war omnipräsent auf Messen und steckte viel Geld in Werbung.  

Ein Betrugsfall wie im Krimi 

In Foren wird spekuliert, ob der Fall Juicyfields ähnlich groß werden könnte wie der Betrug mit der Kryptowährung OneCoin – initiiert von Ruja Ignatova. Die “Kryptoqueen” wurde kürzlich von der US-Bundespolizei FBI auf die Liste der meistgesuchten Personen gesetzt. Auf vier Milliarden Dollar soll sich der Schaden durch OneCoin belaufen. 

Doch über die Dimensionen des Betrugs bei Juicyfields kann bisher nur spekuliert werden. Die Schätzungen schwanken zwischen einer zweistelligen Millionenhöhe bis hin zu Beträgen, die in die Milliarden gehen. So behauptet laut Medienberichten eine spanische Anwaltskanzlei, die Kleinanleger vertritt, dass über die digitalen “Wallets” – also die Krypto-Konten von Juicyfields – mehr als neun Milliarden geflossen sein sollen.  

Ähnlich wie im Fall OneCoin zeichnet sich ab, dass auch Juicyfields zumindest in Teilen auf ein Schneeballsystem gesetzt hat. Dabei werden Einzahlungen von Neukunden für anfallende Auszahlungen verwendet. Auch Teile des sogenannten Multi-Level-Marketings kamen zum Einsatz. Investoren bekommen dabei Prämien, wenn sie andere vom Produkt überzeugen können. Offenbar vermuteten viele Menschen im Cannabis-Bereich besonders hohe Gewinnmargen.  

Wer steckt dahinter?  

Die Branche gilt als Wachstumsindustrie, seit Cannabis in vielen Ländern als Medizinprodukt zugelassen wurde. In Kanada und einigen US-Bundesstaaten ist die Droge sogar für den Freizeitkonsum legal. Auch die deutsche Bundesregierung plant eine komplette Legalisierung. 

In Europa hat die spanische Aufsichtsbehörde schon früh vor Juicyfields gewarnt. Die deutsche Aufsichtsbehörde Bafin hat im März dieses Jahres das erste Mal auf Unstimmigkeiten hingewiesen. Im Juni hat sie Juicyfields verboten, weitere Cannabis-Pflanzen auf ihrer Plattform in Deutschland zu verkaufen. Dem ist das Unternehmen nicht nachgekommen. So konnte das DW-Rechercheteam auch nach dem Verbot noch eine virtuelle Pflanze erwerben. 

Eine Podcast-Serie der DW 

Nun zeichnet sich ab, dass die Anleger ihr Geld wohl nicht wiedersehen. Entsprechend gereizt ist die Stimmung in den zahlreichen Gruppen des Messengerdienstes Telegram, in denen sie sich organisieren. Im Internet kursieren mehrere Versionen der Geschehnisse: Die am häufigsten verbreitete ist die von russischen Hintermännern, die von Anfang an einen Betrug geplant haben sollen. In einer weiteren Version werden Teile der Führungsriege verdächtigt, mit dem Geld durchgebrannt zu sein.  

Auch der Name einer Firma mit Sitz in Berlin fällt immer wieder. Diese unterhält gute Verbindungen in die Schweiz, nach Liechtenstein und in die Niederlande. Auch Juicyfields hat in Berlin angefangen. Es waren wohl Ermittlungen des Landeskriminalamts und der zunehmende Druck der Finanzaufsicht, die dazu führten, dass die Firma ihren Sitz um den Jahreswechsel dann in die Niederlande verlegte.  

Screenshot Juicy Fields

Die DW hat den Aufstieg der zweifelhaften Firma ein halbes Jahr lang begleitet. In dem investigativen, mehrteiligen, englisch-sprachigen Podcast “Cannabis-Cowboys – a story about big dreams, juicy money, and a never-ending hype” erzählen DW-Reporter die Geschichte der Firma. 

Es geht um Gier, Geldwäsche und Geheimdienste und den ewigen Traum vom schnellen Reichtum. Die Suche führt sie auf Cannabis-Plantagen, exzessive Partys in Luxushotels und zu einem Schloss in der Schweiz. Die erste Folge finden Sie ab Mitte August hier und überall, wo es Podcasts gibt. 

(bea, nm)

Dieser Artikel erschien am 21.07.2022 und wird fortlaufend aktualisiert

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