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Reisen als Passion – Sechs Jahre Asien

Sechs Jahre ist Claudio Sieber durch Asien gereist. Immer dabei: Die Kamera, um seine Begegnungen mit den Menschen festzuhalten. Mit der DW spricht er über seine Erfahrungen.

Deutsche Welle: Was hat Sie anfangs hinausgetrieben in die Welt?

Claudio Sieber: Neugier! Ganz einfach die Neugier auf das Fremde. Dazu kam auch, dass ich irgendwann das Gefühl hatte: Ich bin in einer sehr, sehr schweizerischen Struktur gefangen. Dass ich glaubte zu wissen, wie die nächsten 20 oder 30 Jahre ablaufen werden. Das ist ja das typische Leben eines gut integrierten, disziplinierten Schweizers. Das hat mich gestört. Ich wollte mehr Chaos, mehr Abenteuer, mehr Freiheit und vor allem eben auch mehr Zeit. Was, ja, darf man da zurückblickend auch sagen, eigentliche die größte Weihe ist, dass der Mensch Zeit hat. Zeit, über die er selber bestimmen kann.

Deutsche Welle: Was hat Sie anfangs hinausgetrieben in die Welt?

Und wieso Asien?

Ich habe in Lateinamerika meine Reise begonnen, in Patagonien. Nach einem halben Jahr in Südamerika war mir das Ganze aber zu austauschbar. Ich hatte das Gefühl, dass die Spanier da schon sehr viel durch die Kolonialisierung kaputt gemacht haben an kultureller Diversität. Das war in Teilen Asiens ganz anders. Dort sind die ursprünglichen Traditionen noch ganz nah erlebbar. Und immer, wenn man das Land gewechselt hat, etwa Vietnam oder Indonesien oder die Philippinen, dann war das jedes Mal was ganz Neues. Mich haben immer die Traditionen derjenigen Menschen fasziniert, die nur wenig von außen beeinflusst wurden.

Wie haben Sie sich dem Fremden genähert?

Es war mir immer ganz wichtig, diese Länder so langsam wie möglich zu bereisen. Ohne Reiseführer, ohne Reisegruppen, nur einheimische Transportmittel, um so nah wie möglich an die Menschen heranzukommen. Dabei wusste ich natürlich nie, wie mein Tag enden oder bei wem ich die Nacht verbringen würde. Dann kommen die Begegnungen und Geschichten ganz von selbst.

Sie haben gesagt, am besten so langsam wie möglich. Was ist denn für Sie die beste Art der Fortbewegung auf Reisen?

Also für mich persönlich ist es ganz klar das Motorrad, aber das kommt aufs Land an. Nepal beispielsweise war zu Fuß am schönsten, denn viele Bergdörfer kann man ohnehin nur zu Fuß erreichen. Aber es kann natürlich auch ein Boot sein. Ich habe mir in Myanmar, einem Land mit einem Netz von Wasserwegen, ein Boot gekauft, bin damit einmal quer durch Land gereist und habe es dann wieder verkauft.

Was zeichnet für Sie das Reisen in Asien aus?

Bei meiner Art des Reisens ist es so, dass man sein Schicksal oft in die Hände von Fremden legt und schaut, was dann passiert. Dabei habe ich sehr oft unverfälschte Gastfreundschaft erlebt. Es ist einfach so, dass einem die meisten Menschen freundlich gesinnt sind und einem helfen wollen.

Ich war zum Beispiel einmal per Autostopp in Malaysia unterwegs. Da hatte ich dann die Gelegenheit, bei einer königlichen Hochzeit dabei zu sein. Der Fahrer, der angehalten hatte, gehörte zur Königsfamilie und hat mir nach fünf Minuten im Auto erzählt, dass er morgen heiratet und mich kurzerhand eingeladen.

Bei so einer langen Reise läuft vermutlich auch nicht immer alles rund. Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen?

Natürlich gab es das immer wieder, dass ich dachte: Jetzt habe ich die Nase voll! Etwa bei Erkrankungen oder wenn es tagelang und über 400 Kilometer nur geregnet hat. In Papua-Neuguinea hat mich mal die Malaria erwischt. Da haben mich Einheimische aufgenommen, gepflegt und schließlich ins Krankenhaus gebracht. Aber als Reisender muss man die Dinge positiv sehen können. Und das ist dann auch immer wieder gelungen: Oft sind es kleine Dinge, etwa das Lachen eines Kindes, oder jemand, der dir anbietet, bei sich zu duschen. Beim Reisen geht es ja auch um dieses Auf und Ab, darum, diese Emotion zu haben.

Umsonst ist das Reisen auch nicht. Wie finanzieren Sie sich?

Meine Aussteigergeschichte ist eigentlich sehr schweizerisch. Ich habe mir das schon früh überlegt und einiges zusammengespart, so dass ich zumindest ein Polster für drei bis vier Jahre hatte. Nach zwei Jahren habe ich dann überlegt, wie es weitergehen kann, ohne einen festen Job an einem Ort. Dann habe ich mein Talent als Fotograf weiter entwickelt, habe mir eine Visitenkarte gemacht und draufgeschrieben: Fotograf. Und es hat geklappt, allerdings kann man davon nicht in Saus und Braus leben. Aber es genügt, wenn man in Asien verweilt und für Europa arbeitet.

Hat Sie das Reisen etwas gelehrt?

Ich weiß jetzt, dass ich nur glücklich bin, wenn ich persönlich über meine Zeit bestimmen kann. Das heißt nicht einfach, in den Tag hineinzuleben, denn ich muss planen und diszipliniert sein. Zugleich, und das ist jetzt vielleicht etwas widersprüchlich, weiß ich, dass ich nicht alles kontrollieren kann und von den anderen Menschen abhängig bin. Das hat mich zum Beispiel ein Super-Taifun auf den Philippinen gelehrt. Die Menschen helfen sich selbst und einander, denn da ist kein Staat, der das übernimmt. In der Hilflosigkeit erfährt man so Selbstwirksamkeit. Das auf Reisen hautnah zu erfahren war für mich heilsam.

Claudio Siebers Buch mit vielen Fotos ist jetzt im Con Book-Verlag erhältlich: Claudio Sieber: Gestrandet im Paradies. Wie ich sechs Jahre als Nomade durch Asien zog und meine Heimat auf einer Tropeninsel fand. ConBook. 288 Seiten mit vielen Bildern.

EMBARGO bis 10. OKTOBER 0 Uhr - Claudio Sieber Bildband
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Deutsche Welle: Was hat Sie anfangs hinausgetrieben in die Welt?

Claudio Sieber: Neugier! Ganz einfach die Neugier auf das Fremde. Dazu kam auch, dass ich irgendwann das Gefühl hatte: Ich bin in einer sehr, sehr schweizerischen Struktur gefangen. Dass ich glaubte zu wissen, wie die nächsten 20 oder 30 Jahre ablaufen werden. Das ist ja das typische Leben eines gut integrierten, disziplinierten Schweizers. Das hat mich gestört. Ich wollte mehr Chaos, mehr Abenteuer, mehr Freiheit und vor allem eben auch mehr Zeit. Was, ja, darf man da zurückblickend auch sagen, eigentliche die größte Weihe ist, dass der Mensch Zeit hat. Zeit, über die er selber bestimmen kann.

Und wieso Asien?

Ich habe in Lateinamerika meine Reise begonnen, in Patagonien. Nach einem halben Jahr in Südamerika war mir das Ganze aber zu austauschbar. Ich hatte das Gefühl, dass die Spanier da schon sehr viel durch die Kolonialisierung kaputt gemacht haben an kultureller Diversität. Das war in Teilen Asiens ganz anders. Dort sind die ursprünglichen Traditionen noch ganz nah erlebbar. Und immer, wenn man das Land gewechselt hat, etwa Vietnam oder Indonesien oder die Philippinen, dann war das jedes Mal was ganz Neues. Mich haben immer die Traditionen derjenigen Menschen fasziniert, die nur wenig von außen beeinflusst wurden.

Wie haben Sie sich dem Fremden genähert?

Es war mir immer ganz wichtig, diese Länder so langsam wie möglich zu bereisen. Ohne Reiseführer, ohne Reisegruppen, nur einheimische Transportmittel, um so nah wie möglich an die Menschen heranzukommen. Dabei wusste ich natürlich nie, wie mein Tag enden oder bei wem ich die Nacht verbringen würde. Dann kommen die Begegnungen und Geschichten ganz von selbst.

Sie haben gesagt, am besten so langsam wie möglich. Was ist denn für Sie die beste Art der Fortbewegung auf Reisen?

Also für mich persönlich ist es ganz klar das Motorrad, aber das kommt aufs Land an. Nepal beispielsweise war zu Fuß am schönsten, denn viele Bergdörfer kann man ohnehin nur zu Fuß erreichen. Aber es kann natürlich auch ein Boot sein. Ich habe mir in Myanmar, einem Land mit einem Netz von Wasserwegen, ein Boot gekauft, bin damit einmal quer durch Land gereist und habe es dann wieder verkauft.

Was zeichnet für Sie das Reisen in Asien aus?

Bei meiner Art des Reisens ist es so, dass man sein Schicksal oft in die Hände von Fremden legt und schaut, was dann passiert. Dabei habe ich sehr oft unverfälschte Gastfreundschaft erlebt. Es ist einfach so, dass einem die meisten Menschen freundlich gesinnt sind und einem helfen wollen.

Ich war zum Beispiel einmal per Autostopp in Malaysia unterwegs. Da hatte ich dann die Gelegenheit, bei einer königlichen Hochzeit dabei zu sein. Der Fahrer, der angehalten hatte, gehörte zur Königsfamilie und hat mir nach fünf Minuten im Auto erzählt, dass er morgen heiratet und mich kurzerhand eingeladen.

Bei so einer langen Reise läuft vermutlich auch nicht immer alles rund. Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen?

Natürlich gab es das immer wieder, dass ich dachte: Jetzt habe ich die Nase voll! Etwa bei Erkrankungen oder wenn es tagelang und über 400 Kilometer nur geregnet hat. In Papua-Neuguinea hat mich mal die Malaria erwischt. Da haben mich Einheimische aufgenommen, gepflegt und schließlich ins Krankenhaus gebracht. Aber als Reisender muss man die Dinge positiv sehen können. Und das ist dann auch immer wieder gelungen: Oft sind es kleine Dinge, etwa das Lachen eines Kindes, oder jemand, der dir anbietet, bei sich zu duschen. Beim Reisen geht es ja auch um dieses Auf und Ab, darum, diese Emotion zu haben.

Umsonst ist das Reisen auch nicht. Wie finanzieren Sie sich?

EMBARGO bis 10. OKTOBER 0 Uhr - Claudio Sieber Bildband

Meine Aussteigergeschichte ist eigentlich sehr schweizerisch. Ich habe mir das schon früh überlegt und einiges zusammengespart, so dass ich zumindest ein Polster für drei bis vier Jahre hatte. Nach zwei Jahren habe ich dann überlegt, wie es weitergehen kann, ohne einen festen Job an einem Ort. Dann habe ich mein Talent als Fotograf weiter entwickelt, habe mir eine Visitenkarte gemacht und draufgeschrieben: Fotograf. Und es hat geklappt, allerdings kann man davon nicht in Saus und Braus leben. Aber es genügt, wenn man in Asien verweilt und für Europa arbeitet.

Hat Sie das Reisen etwas gelehrt?

Ich weiß jetzt, dass ich nur glücklich bin, wenn ich persönlich über meine Zeit bestimmen kann. Das heißt nicht einfach, in den Tag hineinzuleben, denn ich muss planen und diszipliniert sein. Zugleich, und das ist jetzt vielleicht etwas widersprüchlich, weiß ich, dass ich nicht alles kontrollieren kann und von den anderen Menschen abhängig bin. Das hat mich zum Beispiel ein Super-Taifun auf den Philippinen gelehrt. Die Menschen helfen sich selbst und einander, denn da ist kein Staat, der das übernimmt. In der Hilflosigkeit erfährt man so Selbstwirksamkeit. Das auf Reisen hautnah zu erfahren war für mich heilsam.

Claudio Siebers Buch mit vielen Fotos ist jetzt im Con Book-Verlag erhältlich: Claudio Sieber: Gestrandet im Paradies. Wie ich sechs Jahre als Nomade durch Asien zog und meine Heimat auf einer Tropeninsel fand. ConBook. 288 Seiten mit vielen Bildern.

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