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Wie China seine Top-Studenten in Deutschland kontrolliert

China unterwirft seine Stipendiaten Knebelverträgen. Sie stehen im Widerspruch zur Wissenschaftsfreiheit, die das deutsche Grundgesetz garantiert. Eine Recherche von DW und CORRECTIV.

Freiheit. Im Ausland studieren, weit weg von zu Hause. Davon träumen junge Menschen auf der ganzen Welt. Für viele ist das nur mit einem staatlichen Stipendium möglich. Aber was, wenn genau dieses Stipendium die Freiheit verhindert?

Zwischen China und Deutschland liegen mehr als 7000 Kilometer. Dennoch erleben chinesische Studierende nach einer gemeinsamen Recherche der DW mit der Investigativplattform CORRECTIV in der Bundesrepublik eine engmaschige Kontrolle durch den chinesischen Staat. Das gilt insbesondere für Nachwuchswissenschaftler, die mit einem Stipendium des China Scholarship Council (CSC) nach Deutschland kommen.

Freiheit. Im Ausland studieren, weit weg von zu Hause. Davon träumen junge Menschen auf der ganzen Welt. Für viele ist das nur mit einem staatlichen Stipendium möglich. Aber was, wenn genau dieses Stipendium die Freiheit verhindert?

CSC-Stipendiaten müssen im Vorfeld unterschreiben, dass sie sich nicht an Aktivitäten beteiligen werden, die Chinas Sicherheit schaden. Sie sind verpflichtet, sich regelmäßig bei der chinesischen Botschaft zu melden, um ihr Bericht zu erstatten. Wer dagegen verstößt, dem drohen Strafen.

FU Berlin und LMU München pflegen enge CSC-Kontakte

An mindestens 30 deutschen Universitäten sind die CSC-Stipendiaten aus China gern gesehen. Einige unterhalten sogar offizielle Partnerschaften mit dem China Scholarship Council, der dem chinesischen Bildungsministerium untersteht und einer der wichtigsten Stipendiengeber der Volksrepublik ist. 

So unterschrieb die Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU) 2005 eine Vereinbarung zur Doktorandenausbildung. Bis Ende 2022 haben 492 CSC-Stipendiaten an diesem Programm teilgenommen. Jährlich sind es derzeit etwa 40.

“Der CSC ist für die LMU bisher einer der wichtigsten akademischen Partner in China,” teilt die Münchener Universität auf Anfrage schriftlich mit. In einem Jubiläumsvideo zum 15. Jahrestag der Kooperation feiern Verantwortliche der LMU den CSC sogar als “einen der Eckpfeiler in den internationalen Beziehungen” und übermitteln “aufrichtigen Dank”.

An der Freien Universität (FU) in Berlin waren seit 2009 insgesamt 487 CSC-Doktoranden eingeschrieben. Die FU unterhält nach eigenen Angaben eine “privilegierte Partnerschaft” und werde vom CSC “als bevorzugte Gasteinrichtung für CSC-Geförderte betrachtet”.

Hinterfragt wurde der China Scholarship Council als akademischer Partner bisher offenbar nicht.

“Vereinbarungen der chinesischen Stipendiatinnen und Stipendiaten mit der chinesischen Regierung sind uns bislang nicht bekannt gewesen”, erklärt die LMU. Auch Einschüchterungsversuche chinesischer Stipendiaten seien noch nie gemeldet worden. “Für die LMU sind Wissenschafts- und Meinungsfreiheit grundlegende Werte, die wir auch den internationalen Studierenden vorleben und vermitteln.”

Aus Berlin heißt es, dass man keine individuellen Fälle mit entsprechenden Verträgen kenne. “Bekannt ist allerdings, dass die Geförderten nach Ende der Förderdauer nach China zurückkehren müssen oder andernfalls offenbar das Stipendium zurückzahlen müssen.” Es ist bei weitem nicht die einzige Vertragsklausel, die Fragen aufwirft.

Auch die FU betont, dass sie “die Wissenschaftsfreiheit ihrer Mitglieder gegen ausländische Einflussnahme verteidigt”. Doch wie realistisch ist das im Fall Chinas?

CORRECTIV und DW liegen mehrere CSC-Verträge aus unterschiedlichen Jahren und für unterschiedliche Länder vor. Der jüngste stammt aus dem Jahr 2021 und gilt für den Aufenthalt eines Doktoranden an einer deutschen Universität. Das Dokument ist im chinesischen Original neun Seiten lang und für diese Recherche übersetzt und mit den anderen Verträgen verglichen worden. Die Unterschiede sind minimal.

Im Zentrum steht das Bekenntnis zur absoluten Staatstreue: Der CSC-Stipendiat verpflichtet sich, “ein Verantwortungsgefühl für die Mission zu entwickeln, nach China zurückzukehren und dem Land zu dienen”. Er unterschreibt, “sich nicht an Aktivitäten zu beteiligen, die den Interessen und der Sicherheit des Mutterlandes schaden.” Der Stipendiat, so heißt es weiter, “muss die Ehre des Mutterlandes bewusst schützen und die Anweisungen der Botschaften (Konsulate) im Ausland befolgen.”

Konkret bedeutet das, dass der Doktorand sich spätestens zehn Tage nach seiner Ankunft in Deutschland bei der chinesischen Botschaft oder dem nächsten chinesischen Konsulat melden und “häufigen Kontakt” halten muss.

Er ist verpflichtet, seinen akademischen Fortschritt regelmäßig gegenüber Botschaft oder Konsulat zu dokumentieren, was die Informationsbeschaffung über Dritte offenbar einschließt. So muss der Stipendiat auch Informationen zu seinen akademischen Mentoren “unverzüglich aktualisieren”.

Nach seiner Rückkehr ist der Stipendiat verpflichtet, mindestens zwei Jahre in China zu leben, um dem Land “zu dienen”. Erst dann erlischt der Vertrag, der sich auch auf Angehörige und Freunde erstreckt.

Für jeden CSC-Stipendiaten werden im Vorfeld zwei Bürgen benannt, denen es während des Stipendiums verboten ist, China für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten zu verlassen. Bei Verstößen gegen Vertragsklauseln werden diese Bürgen in Mithaftung genommen – persönlich und finanziell.

Dieser Fall kann bereits eintreten, wenn der Stipendiat die akademischen Leistungen nicht erbringt oder wenn das Stipendium ohne triftigen Grund vorzeitig beendet wird. Dann fällt neben der Fördersumme auch eine Strafgebühr an. Zur Einordnung: Für ein Stipendium mit vier Jahren Laufzeit werden umgerechnet rund 75.000 Euro gezahlt.

Die China-Expertin Mareike Ohlberg arbeitet für das Asien-Programm des German Marshall Fund. Für sie demonstriert der CSC-Vertrag vor allem den “Kontrollwahn” der Kommunistischen Partei Chinas – bis hin zu klaren Mobilisierungsaufrufen: “Die Leute werden aktiv ermutigt, einzuschreiten, wenn irgendetwas passiert, was nicht im Interesse des Landes sein könnte.” 

Als schlimmster Vertragsbruch gilt, den nationalen Interessen Chinas zu schaden. “Das steht (im Vertrag) noch vor der möglichen Beteiligung an Verbrechen, also praktisch auch noch vor Mord. Da setzt China ganz klar seine Prioritäten”, analysiert Ohlberg.

Blanko-Vertrag des China Scholarship Council für ein Auslandsstipendium für chinesische Doktoranden
Chinesische Vize-Premierministeriun Liu Yandong schüttelt die Hand eines chinesischen Studenten in Berlin, daneben weitere chinesische Studenten mit chinesischen und deutschen Fähnchen in der Hand

Kooperieren deutsche Unis zu eng mit China?

Freiheit. Im Ausland studieren, weit weg von zu Hause. Davon träumen junge Menschen auf der ganzen Welt. Für viele ist das nur mit einem staatlichen Stipendium möglich. Aber was, wenn genau dieses Stipendium die Freiheit verhindert?

Zwischen China und Deutschland liegen mehr als 7000 Kilometer. Dennoch erleben chinesische Studierende nach einer gemeinsamen Recherche der DW mit der Investigativplattform CORRECTIV in der Bundesrepublik eine engmaschige Kontrolle durch den chinesischen Staat. Das gilt insbesondere für Nachwuchswissenschaftler, die mit einem Stipendium des China Scholarship Council (CSC) nach Deutschland kommen.

FU Berlin und LMU München pflegen enge CSC-Kontakte

CSC-Stipendiaten müssen im Vorfeld unterschreiben, dass sie sich nicht an Aktivitäten beteiligen werden, die Chinas Sicherheit schaden. Sie sind verpflichtet, sich regelmäßig bei der chinesischen Botschaft zu melden, um ihr Bericht zu erstatten. Wer dagegen verstößt, dem drohen Strafen.

An mindestens 30 deutschen Universitäten sind die CSC-Stipendiaten aus China gern gesehen. Einige unterhalten sogar offizielle Partnerschaften mit dem China Scholarship Council, der dem chinesischen Bildungsministerium untersteht und einer der wichtigsten Stipendiengeber der Volksrepublik ist. 

So unterschrieb die Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU) 2005 eine Vereinbarung zur Doktorandenausbildung. Bis Ende 2022 haben 492 CSC-Stipendiaten an diesem Programm teilgenommen. Jährlich sind es derzeit etwa 40.

“Der CSC ist für die LMU bisher einer der wichtigsten akademischen Partner in China,” teilt die Münchener Universität auf Anfrage schriftlich mit. In einem Jubiläumsvideo zum 15. Jahrestag der Kooperation feiern Verantwortliche der LMU den CSC sogar als “einen der Eckpfeiler in den internationalen Beziehungen” und übermitteln “aufrichtigen Dank”.

Keine “Einschüchterungsversuche” bekannt

An der Freien Universität (FU) in Berlin waren seit 2009 insgesamt 487 CSC-Doktoranden eingeschrieben. Die FU unterhält nach eigenen Angaben eine “privilegierte Partnerschaft” und werde vom CSC “als bevorzugte Gasteinrichtung für CSC-Geförderte betrachtet”.

Loyalität und Staatstreue

Hinterfragt wurde der China Scholarship Council als akademischer Partner bisher offenbar nicht.

“Vereinbarungen der chinesischen Stipendiatinnen und Stipendiaten mit der chinesischen Regierung sind uns bislang nicht bekannt gewesen”, erklärt die LMU. Auch Einschüchterungsversuche chinesischer Stipendiaten seien noch nie gemeldet worden. “Für die LMU sind Wissenschafts- und Meinungsfreiheit grundlegende Werte, die wir auch den internationalen Studierenden vorleben und vermitteln.”

Aus Berlin heißt es, dass man keine individuellen Fälle mit entsprechenden Verträgen kenne. “Bekannt ist allerdings, dass die Geförderten nach Ende der Förderdauer nach China zurückkehren müssen oder andernfalls offenbar das Stipendium zurückzahlen müssen.” Es ist bei weitem nicht die einzige Vertragsklausel, die Fragen aufwirft.

Familie in Sippenhaft

Auch die FU betont, dass sie “die Wissenschaftsfreiheit ihrer Mitglieder gegen ausländische Einflussnahme verteidigt”. Doch wie realistisch ist das im Fall Chinas?

CORRECTIV und DW liegen mehrere CSC-Verträge aus unterschiedlichen Jahren und für unterschiedliche Länder vor. Der jüngste stammt aus dem Jahr 2021 und gilt für den Aufenthalt eines Doktoranden an einer deutschen Universität. Das Dokument ist im chinesischen Original neun Seiten lang und für diese Recherche übersetzt und mit den anderen Verträgen verglichen worden. Die Unterschiede sind minimal.

Chinesischer “Kontrollwahn”

Im Zentrum steht das Bekenntnis zur absoluten Staatstreue: Der CSC-Stipendiat verpflichtet sich, “ein Verantwortungsgefühl für die Mission zu entwickeln, nach China zurückzukehren und dem Land zu dienen”. Er unterschreibt, “sich nicht an Aktivitäten zu beteiligen, die den Interessen und der Sicherheit des Mutterlandes schaden.” Der Stipendiat, so heißt es weiter, “muss die Ehre des Mutterlandes bewusst schützen und die Anweisungen der Botschaften (Konsulate) im Ausland befolgen.”

CSC – streng auf Kurs der Kommunistischen Partei

Konkret bedeutet das, dass der Doktorand sich spätestens zehn Tage nach seiner Ankunft in Deutschland bei der chinesischen Botschaft oder dem nächsten chinesischen Konsulat melden und “häufigen Kontakt” halten muss.

Junge Frau von hinten mit einem Plakat, auf dem die Botschaft We love Hongkong, we love China zu lesen ist, außerdem weitere Protestanten mit Plakaten und chinesischen Flaggen

Er ist verpflichtet, seinen akademischen Fortschritt regelmäßig gegenüber Botschaft oder Konsulat zu dokumentieren, was die Informationsbeschaffung über Dritte offenbar einschließt. So muss der Stipendiat auch Informationen zu seinen akademischen Mentoren “unverzüglich aktualisieren”.

Nach seiner Rückkehr ist der Stipendiat verpflichtet, mindestens zwei Jahre in China zu leben, um dem Land “zu dienen”. Erst dann erlischt der Vertrag, der sich auch auf Angehörige und Freunde erstreckt.

Für jeden CSC-Stipendiaten werden im Vorfeld zwei Bürgen benannt, denen es während des Stipendiums verboten ist, China für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten zu verlassen. Bei Verstößen gegen Vertragsklauseln werden diese Bürgen in Mithaftung genommen – persönlich und finanziell.

Dieser Fall kann bereits eintreten, wenn der Stipendiat die akademischen Leistungen nicht erbringt oder wenn das Stipendium ohne triftigen Grund vorzeitig beendet wird. Dann fällt neben der Fördersumme auch eine Strafgebühr an. Zur Einordnung: Für ein Stipendium mit vier Jahren Laufzeit werden umgerechnet rund 75.000 Euro gezahlt.

Die China-Expertin Mareike Ohlberg arbeitet für das Asien-Programm des German Marshall Fund. Für sie demonstriert der CSC-Vertrag vor allem den “Kontrollwahn” der Kommunistischen Partei Chinas – bis hin zu klaren Mobilisierungsaufrufen: “Die Leute werden aktiv ermutigt, einzuschreiten, wenn irgendetwas passiert, was nicht im Interesse des Landes sein könnte.” 

Als schlimmster Vertragsbruch gilt, den nationalen Interessen Chinas zu schaden. “Das steht (im Vertrag) noch vor der möglichen Beteiligung an Verbrechen, also praktisch auch noch vor Mord. Da setzt China ganz klar seine Prioritäten”, analysiert Ohlberg.

Doch was alles unter die Aktivitäten fällt, die chinesischen Interessen schaden, wird bewusst offengelassen. Genauso wie die möglichen Konsequenzen. Ohlbergs Schlussfolgerung: “Auch im Ausland sind Chinesen nicht frei, sondern sollen weiterhin unter Beobachtung der Partei stehen.” Das Resultat ist ein Klima der Angst, das zur Selbstzensur führt. 

Ein junger Mann, der selbst einen CSC-Vertrag unterschrieben hat, berichtet gegenüber CORRECTIV von seiner Angst um die Familie. Davon, dass er in Deutschland niemals demonstrieren würde, weil die Botschaft “sehr streng” reagiert. Und er erzählt von einem Alptraum, in dem er nach seiner Rückkehr gleich am Flughafen verhört wird: “Man fragt mich, ob ich diese oder jene Person kenne. Ich sage immer, jaja, aber dass ich nicht weiß, was die gemacht haben.” Gespräche mit fünf weiteren chinesischen Studierenden, die nichts mit dem CSC zu tun haben, spiegeln die gleiche Angst vor dem chinesischen Überwachungsstaat wider.

Ein junger Mann, der selbst einen CSC-Vertrag unterschrieben hat, berichtet gegenüber CORRECTIV von seiner Angst um die Familie. Davon, dass er in Deutschland niemals demonstrieren würde, weil die Botschaft “sehr streng” reagiert. Und er erzählt von einem Alptraum, in dem er nach seiner Rückkehr gleich am Flughafen verhört wird: “Man fragt mich, ob ich diese oder jene Person kenne. Ich sage immer, jaja, aber dass ich nicht weiß, was die gemacht haben.” Gespräche mit fünf weiteren chinesischen Studierenden, die nichts mit dem CSC zu tun haben, spiegeln die gleiche Angst vor dem chinesischen Überwachungsstaat wider.

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